Lkws im Stau
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Verkehr

Transit: EU-Mautrichtlinie als vage Hoffnung

Im Kampf gegen die Transitbelastung, die nach einer Verschnaufpause während des CoV-Lockdowns wieder zunimmt, hofft Tirol auch auf die künftige EU-Wegekostenrichtlinie. Der Entwurf dafür sieht eine weitgehende Kostenwahrheit im Verkehr vor, allerdings bremsen EU-Staaten wie Deutschland.

Zum Höhepunkt der Coronavirus-Krise im Frühjahr ging der Schwerverkehr durch Tirol etwas zurück, was unter anderem auch positive Auswirkungen bei den Luftschadstoffen hatte – mehr dazu in Lockdown hat Luft von Schadstoffen befreit. Inzwischen nahm der Lkw-Transit wieder an Fahrt auf. Landeshauptmann Günter Platter (ÖVP) rechnet deshalb damit, dass bis zum Ende des Jahres wieder deutlich mehr als zwei Millionen Schwerfahrzeuge über den Brenner rollen. Das ist zwar weniger als beim Höchststand 2019, am generellen Transitproblem ändert das aber nur wenig.

Neben dem Brennerbasistunnel, der langfristig für Entlastung sorgen soll, liegen die Hoffnungen auf der geplanten Wegekostenrichtlinie, also dem neuen EU-Mautsystem. Geht es nach der EU-Kommission, dann sollen dort sogenannte „externe Kosten“ mit eingerechnet werden können, wodurch mehr Maut eingehoben werden kann. Auch das EU-Parlament steht weitgehend hinter den Plänen. Im EU-Rat mit den Regierungen der EU-Staaten gibt es aber Widerstand, so wird mit einer Ablehnung durch Deutschland gerechnet.

Blockabfertigung
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Tirol bremst mit Lkw-Blockabfertigungen den Schwerverkehr an besonders neuralgischen Tagen ein

Platter liebäugelt mit Klage gegen Deutschland

Für Platter ist Deutschland ein Bremsklotz bei der Lösung der Transitfrage. So ist der nördliche Nachbar bei den Zulaufstrecken zum Brennerbasistunnel jahrelang im Verzug. Ein Verstoß gegen geltende Verträge, so Platter: „Auszuschließen ist es nicht, dass Österreich – wenn es so weitergeht – Deutschland klagen muss, weil einfach die Verträge nicht eingehalten werden“. Kritik an Deutschland und auch an Italien gibt es von Platter auch wegen der niedrigeren Lkw-Maut in den Nachbarländern für deren Teil des Brenner-Korridors. Man versuche ohnehin Druck zu machen, verweist Platter auf die Lkw-Blockabfertigungen auf der Autobahn bei Kufstein.

Tirol ist Transit-Durchhaus

Seit mehr als 30 Jahren versucht die Tiroler Politik, den Transitverkehr und damit die Belastungen für die Bevölkerung einzudämmen. Jedes Jahr erreichen die Lkw-Zahlen am Brenner aber neue Rekordwerte.

Für Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser agiert Tirol trotzdem „zu lasch und mutlos“. Es brauche ein Lkw-Nachtfahrverbot auf der gesamten Brenner-Strecke von Rosenheim bis Verona, die Lkw-Maut in den Nachbarländern müsse endlich erhöht werden. Tirol müsse hier hart durchgreifen: „Man muss sagen, wenn ihr das nicht sofort macht, dann verdichten wir das Ganze. Dann gibt es eben jeden zweiten Tag eine Blockabfertigung“. Straßenverkehrsordnung, EU-Grundrechtscharta und die Alpenkonvention geben der heimischen Politik laut Gurgiser die rechtliche Handhabe dafür: „Man braucht sich vor niemandem fürchten. Denn auch in der EU gibt es kein Recht des Verlärmens, kein Recht des Vergiftens, kein Recht auf rücksichtloses Fahren. Man muss das nutzen und darf sich nicht fürchten.“

Professor für EU-Recht, Walter Obwexer
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EU-Rechtler Walter Obwexer

EU-Rechtsexperte sieht Tirol rechtlich an den Grenzen

Der EU-Rechtsexperte Walter Obwexer von der Universität Innsbruck warnt dagegen vor überschießenden Reaktionen. Tirol nutze derzeit alle rechtlichen Möglichkeiten und gehe an die rechtlichen Grenzen, um den Transitverkehr etwas zu beschränken. Eine Ausdehnung des sektoralen Lkw-Fahrverbots für bestimmte Transporte oder auch eine verschärfte Lkw-Blockabfertigung mit mehr Dosiertagen würde mit Sicherheit eine Klage der EU-Kommission nach sich ziehen. Tirol würde bei so einem Verfahren nach Ansicht Obwexers den Kürzeren ziehen.

Obwexer rät dem Land Tirol deshalb, vorsichtig vorzugehen und nicht „über das Zulässige hinausgehend mutig zu sein und dann vor dem EU-Gerichtshof zu verlieren. Denn dann ist viel verloren.“ Derzeit habe Tirol immerhin ein Bündel an Maßnahmen, um den Verkehr zumindest etwas zu reduzieren.

Dosierung des Verkehrs durch Sanierung der Lueg-Brücke

Spätestens mit der notwendigen Sanierung der Luegbrücke auf der Brennerautobahn wird die freie Fahrt mit weiteren Blockabfertigungen gedrosselt, gibt sich Platter kämpferisch: „Die Belastungsgrenze für Mensch und Natur ist überschritten, auch für die Infrastruktur“. Dann werde es sich eben Richtung München und Rosenheim stauen, meint der Tiroler Landeshauptmann.

Luegbrücke auf der Brennerautobahn
Hermann Hammer
Während der groß angelegten Sanierung der Luegbrucke wird die Brennerautobahn zum Nadelöhr, das Land will mit weiteren Blockabfertigungen reagieren

Die Hoffnung auf eine langfristige Lösung durch die neue EU-Mautrichtlinie, die den Schwerverkehr auf der Straße teurer machen soll, wird von Rechtsprofessor Walter Obwexer dagegen massiv gedämpft. Schon unter den Regierungen in Europa zeichne sich hier keine Einigkeit ab. Ein Kompromiss mit dem EU-Parlament in einem weiteren Schritt sei nicht in Sicht.