Ein Forscher beim Pipettieren im Labor der Gerichtsmedizin in Innsbruck
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Wissenschaft

CoV-Abwassercheck in einzelnen Gebäuden

Um Coronaviren nachzuweisen, sammeln Tiroler Forscher das Abwasser einzelner Gebäude. Den Anfang machte die Covid-19-Station der Innsbrucker Klinik. Ziel ist es, ein Frühwarnsystem für Altersheime und Gebäude mit anderen Risikogruppen zu entwickeln.

Die meisten Infizierten sowie Menschen, die vor Kurzem eine CoV-Infektion überstanden haben, scheiden das Virus über ihren Stuhl aus. Seit mehreren Monaten arbeiten Forscherinnen und Forscher deshalb daran, das Coronavirus im Abwasser von Kläranlagen nachzuweisen – mehr dazu in Forscher wollen CoV im Abwasser nachweisen.

Breit vernetzte Forschung

Die Gerichtsmedizin arbeitet mit den Abteilungen für Virologie, Hygiene und Innere Medizin der Medizinuni sowie dem Institut für Mikrobiologie der Uni Innsbruck, den IKB und den ISD zusammen. Österreichweit gibt es eine Zusammenarbeit mit der TU Wien und der AGES. International sind die Wissenschaftler mit Projekten in den Niederlanden und den USA vernetzt.

Abwassermonitoring der Covid-19-Station

Um noch gezielter an Ergebnisse zu kommen, ist seit 16. Mai im Keller der Innsbrucker Klinik ein automatischer Probennehmer eingerichtet, der alle fünf Minuten Abwasser abzapft, das von der Covid-19-Isolierstation an der Infektiologie stammt. Die Forscherinnen und Forscher konzentrieren das gesammelte Abwasser in einer Zentrifuge im Labor und wenden dann die PCR-Methode an, um Virenbruchstücke nachzuweisen.

Einzelabstriche werden mit derselben Methode ausgewertet. Allerdings können mit einer Abwasseruntersuchung Aussagen über tatsächliche Infektionen in einem ganzen Gebiet oder Gebäude getroffen werden, statt nur zu einer Person.

Gerichtsmediziner Herbert Oberacher und Laborantin Sandra Haslacher beim Entnehmen der Abwasserproben
tirol kliniken/Schwamberger
Herbert Oberacher und Laborantin Sandra Haslacher sammeln die Abwasserproben im Keller der Innsbrucker Klinik

Covid-19-Station: Keine Infizierten mehr

Die Isolierstation der Innsbrucker Klinik sei ein gut gewählter Ort, da die Patientinnen und Patienten dort Viren ausschieden, erklärte der Leiter des forensisch-toxikologischen Forschungslabors am Institut für Gerichtliche Medizin, Herbert Oberacher: „Wenn man nie positive Fälle hat, kann man nicht zeigen, dass die Methode funktioniert. Es war deshalb wichtig, ein Gebäude auszuwählen, von dem wir wissen, dass sich Erkrankte darin befinden“, so der Forscher. Er und sein Team konnten das Virus erfolgreich nachweisen.

Vergangenen Donnerstag sind die letzten zwei Patienten der Isolierstation aus dem Krankenhaus entlassen worden – das Virussignal ist seitdem aus dem Klinikabwasser verschwunden: „Das ist eine Bestätigung, dass das Monitoringsystem zuverlässig ist“, erklärte Oberacher. Es sei quasi wie eine Ampel, die wieder auf grün schalte. Sobald wieder Covid-19-Patientinnen oder Patienten eingeliefert werden, sind auch wieder Virenbruchstücke bzw. RNA im Abwasser nachweisbar.

Die Covid19-Intensivstation an der Innsbrucker Klinik
Tirol Kliniken
Die Covid-19-Station der Innsbrucker Klinik behandelt derzeit keine Infizierten mehr

Ziel: Frühwarnsystem für Altersheime

Seit Kurzem sammeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusätzlich Abwasser in einem Innsbrucker Altersheim. Die Zusammenarbeit mit den Innsbrucker Sozialen Diensten (ISD) gestalte sich wunderbar, es gebe großes Interesse, sich auf eben solche Gebäude zu konzentrieren, in denen Risikogruppen wohnen, schilderte Oberacher.

Ziel ist es, über den Sommer ein Frühwarnsystem zu entwickeln, das dann im Herbst – sollte eine zweite Infektionswelle folgen – bereit ist: „Ohne die Heimbewohnerinnen und -bewohner groß zu belasten, könnte man so Informationen über das ganze Haus bekommen und die unangenehmen und logistisch aufwendigen und teuren Einzeltests reduzieren“, erklärte der Forscher – mehr dazu in Abwassertests als CoV-Frühwarnsystem. Das Land Tirol zeige hier ebenfalls großes Interesse und Unterstützung.

Schild mit Zutrittsverbot an Eingangstür von Altersheim
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Abwassermonitoring erspart den Altersheimbewohnerinnen und -bewohnern mühsames Testen

Privatsphäre: Abwasser wird nur auf Viren gescreent

Im Abwasser können neben Viren auch Drogen nachgewiesen werden – mehr dazu in Kokain-Rückstände im Abwasser konstant hoch. Dabei, so Oberacher, teste man aber aus ethischen Gründen immer nur große Gebiete, um nicht mit dem Finger auf einzelne Gebäude oder Stadtteile zu zeigen und Gruppen so zu stigmatisieren.

Beim Coronavirus-Monitoring mache ein kleiner Testkreis aber Sinn: „Das Ziel ist ja, bestimmte Personen zu schützen und eine Erkrankung zu erkennen und einen größeren Ausbruch zu verhindern“, so der Forscher. Die gesammelten Gebäudeproben würden jedenfalls nur auf Coronaviren und nicht auf andere Stoffe hin untersucht.

Gerichtsmediziner Herbert Oberacher im Labor: Dort werden die Abwasserproben untersucht
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Die Forscherinnen und Forscher konzentrieren die Proben und untersuchen sie nach Virenbruchstücken

Keine nachweisbaren Viren im Innsbrucker Abwasser

Hochrechnen, wie viele Virusausscheidende es in einem Gebäude oder Einzugsgebiet exakt gibt, können die Forscherinnen und Forscher noch nicht. Derzeit können sie lediglich sagen, ob Viren präsent sind. Allerdings wissen sie, dass in einer Stadt von der Größe Innsbrucks etwa 20 Personen Viren ausscheiden müssen, damit ein Nachweis im Abwasser der Kläranlagen gelingt.

Das Institut für Gerichtsmedizin der Universität Innsbruck
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Die Gerichtsmedizin an der Innsbrucker Medizinuni

Seit letzter Woche sei die Virenmenge so gering, dass das nicht mehr klappe, erklärte der Wissenschaftler: „Zu Beginn haben wir schöne Signale bekommen. Letzte Woche sind die Fallzahlen allerdings so geschrumpft, dass wir sie mit der Methode nicht mehr erwischen“, so Herbert Oberacher. Man könne daher davon ausgehen, dass in Innsbruck weniger als 20 Menschen infiziert seien. Das entspreche auch den offiziellen Fallzahlen, wonach es noch einen bekannten aktiven Fall gibt. Die Dunkelziffer dürfte sich in Grenzen halten.

Die Tiroler Forscherinnen und Forscher untersuchen dennoch weiterhin Proben, sowohl aus den Klärwerken als auch von einzelnen Gebäuden, um einen eventuellen erneuten Anstieg der Infektionen sofort erkennen zu können.