Polizeikontrollen im Rapoldipark
zeitungsfoto.at/Liebl Daniel
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Chronik

CoV-Anzeigen: Anschwärzen in Krisenzeiten

Tirol liegt bei den Strafen wegen Übertretungen der CoV-Beschränkungen im Spitzenfeld der Bundesländer. Mit den Lockerungen sind die Anzeigen zuletzt zurückgegangen. Die Polizei muss Hinweisen auf Übertretungen nachgehen, auch wenn zum Teil völlig falsche Anschuldigungen darunter sind.

Nur die weitaus bevölkerungsreicheren Bundesländer Wien und Steiermark hatten in der Statistik des Innenministeriums bis Anfang Mai mehr CoV-Strafen aufzuweisen als Tirol. Dass Tirol hier im Spitzenfeld liegt, hängt auch mit den strengeren Quarantäne-Bestimmungen zusammenhängen. In Tirol standen alle Gemeinden von Mitte März bis Anfang April unter Quarantäne, für Sölden, St. Anton und das Paznaun mit Ischgl galten die scharfen Einschränkungen noch gut zwei Wochen länger. Insgesamt wurden in Tirol von Behörden und Polizei bis Anfang Mai fast 4.200 Anzeigen und 630 Organmandate verhängt – mehr dazu in CoV: Strafen gehen deutlich zurück.

Auch haltlose oder falsche Vorwürfe unter den Anzeigen

Bei der Polizei ist vor allem in der Anfangsphase eine Vielzahl von Hinweisen eingegangen, etwa was Freizeitaktivitäten anbelangt. Zum Teil gingen auch anonyme Anzeigen ein. Die Polizei geht derartigen Meldungen von möglichen Übertretungen wie sonst üblich nach. „Es hat sich dann aber auch herausgestellt, dass nicht alle Hinweise, die bei uns eingegangen sind, sich entsprechend so zugetragen haben und teilweise einfach falsch waren“, erklärt der Sprecher der Landespolizeidirektion, Christian Viehweider.

Jugendliche mit Schutzmasken im Zug
ORF
Die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln wird weiterhin überprüft

Ärger bei Opfern von anonymen Anschuldigungen

Für die Opfer sind falsche Anschuldigungen durch anonyme Anzeiger ein Ärgernis. Sie müssen sich gegenüber der Polizei rechtfertigen und die Vorwürfe entkräften. Betroffen von einer derartigen Anzeige war auch die Wirtin der Bärenbad-Alm im Zillergrund. Sie sei beschuldigt worden, illegalerweise Schnaps auf der Terrasse der Hütte ausgeschenkt zu haben, so Andrea Fankhauser gegenüber dem ORF. Dabei sei die Alm in den vergangenen Wochen natürlich geschlossen gewesen, sie selbst war nachweislich nicht dort. Die Anzeige sei letztlich auch fallen gelassen worden, so die Hüttenwirtin. Derartige anonyme Anzeigen nennt sie „charakterlos“.

Der Vorarlberger Psychiater Reinhard Haller
ORF
Reinhard Haller, Psychiater

Neid oft Grund fürs Anschwärzen

Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller sieht autoritäre Systeme als Nährboden für Denunziantentum. Je mehr Demokratie in einer Gesellschaft herrsche, desto weniger Chance gebe es dafür. Deshalb sei es wichtig, dass die strengen CoV-Maßnahmen, die derzeit wohl notwendig seien und die Grenzen einer Demokratie ausreizen, zeitlich begrenzt sind, so Haller.

Denunzianten gehe es darum, andere bei höheren Instanzen schlecht zu machen. Im Hintergrund schwinge dabei oft Neid mit, dass andere sich etwas herausnehmen, was man selbst nicht tun kann. Denen wollen es die Betreffenden dann zeigen und sie „herunterholen“, sieht der Psychiater auch ein Erklärmuster für anonyme Anzeigen und Anschuldigungen in der aktuellen Coronavirus-Krise.