Mit der sogenannten Phase 2 folgt Südtirol nun seinem angekündigten Sonderweg nach dem Coronavirus-Lockdown. Möglich macht dies ein Landesgesetz, welches der Südtiroler Landtag in der Nacht auf Freitag beschlossen hat. In Rom hatte es eigentlich geheißen, dass Sonderwege für Regionen erst ab 18. Mai zulässig seien.
Die Lockerungen seien für Familien und Wirtschaft dringend notwendig. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Lockdown dürften nicht unterschätzt werden, sagt Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher. „Wir beschreiten einen eigenen Weg in großer Verantwortung und stellen Sicherheit und Gemeinsinn in den Mittelpunkt unseres Vorgehens. Dabei bauen wir auf die Eigenverantwortung und Disziplin der gesamten Bevölkerung“, argumentiert der Landeshauptmann.
Bewegungsfreiheit mit Schutzmaske
Mit Inkrafttreten des Gesetzes herrscht in Südtirol wieder Bewegungsfreiheit: So darf man sich in der Provinz seit Freitagnachmittags wieder frei und ohne Eigenerklärung bewegen. Das Landesgesetz ermöglicht schrittweise die Wiederaufnahme aller wirtschaftlicher Tätigkeiten. Menschenansammlungen sind weiterhin verboten. Personen müssen einen Sicherheitsabstand von zwei Metern einhalten. Erwachsene und schulpflichtige Kinder müssen Schutzmasken tragen, wenn sie auf Personen treffen, die nicht im gleichen Haushalt wohnen und der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, etwa in Fußgängerzonen, heißt es.
Schrittweise Öffnung
Bereits ab Samstag treten mit der Öffnung des Einzelhandels die ersten Lockerungen für die Wirtschaft in Kraft.
Restaurants, Bars, Eisdielen und Friseure dürfen ab Montag ihrem Geschäft nachgehen. Mit einer Öffnung sind strenge Auflagen einzuhalten: Etwa in der Gastronomie dürfen sich nicht mehr Gäste aufhalten als es Sitzplätze gibt. Tische müssen so gereiht sein, dass der zwei Meter Abstand gewährleistet wird. Kassenbereiche müssen mit einer Schutzvorrichtung abgetrennt werden, heißt es im Landesgesetz.
Auch das kulturelle Leben soll mit kommendem Montag zumindest teilweise wieder neu starten. Museen, Bibliotheken und Jugendzentren können ab 11. Mai wieder öffnen, stets unter Wahrung der allgemeinen Regeln, wie dem Tragen eines Atemschutzes.
Die Kinderbetreuung soll ab 18. Mai stufenweise wieder aufgenommen werden. Allerdings unter strengen Bedingungen, wie etwa einer Reduzierung der Gruppengröße.
Hotels öffnen Ende Mai
In zwei Wochen beginnt der Neustart für den Tourismus in Südtirol. Ab 25. Mai dürfen alle Beherbergungsbetriebe und Seilbahnen ihre Arbeit wieder aufnehmen. Schwimmbäder dürfen öffnen, Hallenbäder und Saunen allerdings nicht – außer es handelt sich beim Betrieb um eine so genannte „Covid-Protected-Area“, wo alle Mitarbeiter und Gäste auf Covid-19 getestet werden. Wer sich am Buffet bedient, muss „Mund und Nase bedecken“, heißt es im neuen Landesgesetz.
Anfechtung aus Rom
Die Lockerungen der Corona-Maßnahmen sorgen weiter für ein angespanntes Verhältnis zwischen Bozen und Rom. Italiens Regionenminister Francesco Boccia will Südtirols Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten. Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher bleibt gelassen, „Jedes Landesgesetz könnte von Rom angefechtet werden. Das geschieht auch häufig. Landesgesetze bleiben trotzdem rechtens. (…) Die vermeintlichen Anfechtungsgründe werden spätestens kommende Woche nicht mehr vorhanden sein“.
Der Stein des Anstoßes ist die Arbeitssicherheit, vor allem im Handelssektor.
Bozen habe bestimmte staatliche Richtlinien missachtet, heißt es aus Rom. Der Ministerrat wird jetzt über die Anfechtung des Landesgesetzes befinden. Wie schnell und ob diese Anfechtung nun wirklich erfolgt, bleibt unklar.
Auswirkungen unter Beobachtung
Wie im Gesetz vorgesehen, wird eine von der Südtiroler Landesregierung ernannte Kommission von Fachleuten den Verlauf der Infektionen durch das neuartige Coronavirus beobachten. Sollte die Infektionskurve wieder ansteigen, können Lockerungen aus dem neuen Landesgesetz auch wieder zurückgschraubt werden.