Die Lager der Tiroler Lebensmittel-Großhändler sind voll mit Trockenprodukten die demnächst ablaufen
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Wirtschaft

Großhandel: Weitere Produkte verderben

Die Großhändler bleiben ohne Gastro und Tourismus auf ihren Lebensmitteln sitzen. Nach den Frischwaren laufen auch Trocken- und Tiefkühlprodukte ab. Eine Weisung an Großabnehmer, heimische Angebote in Betracht zu ziehen, sei zu wenig, so die Branche.

Die Krise wirkt sich neben Tourismus und Gastronomie auch auf die Lieferkette und somit den Tiroler Lebensmittel-Großhandel aus – mehr darüber in Tourismus-Stopp reißt Großhändler mit. Die Branche beklage Einbußen zwischen 80 und 100 Prozent, bestätigte Lorenz Wedl, Sprecher der Großhändler im Gremium des Tiroler Lebensmittelhandels.

Sein eigener Betrieb mit Hauptsitz in Mils musste über 90 der insgesamt 110 Lkws abmelden. Außerdem schloss Wedl den Standort in Imst, da dieser nicht mehr kostendeckend zu halten gewesen sei. Diese Schritte seien flächendeckend symptomatisch für die schlechte Situation aller Tiroler Großhändler, betonte Wedl.

Abgemeldete LKW Reihe an Reihe im Fuhrpark der Firma Wedl in Mils
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Ein Großteil der Lkws der Tiroler Großhändler steht momentan still

Mindesthaltbarkeitsdatum als „tickende Zeitbombe“

Als Tourismus- und Gastrobetriebe schließen und die Wintersaison damit frühzeitig beenden mussten, waren die Lager der Großhändler noch gut gefüllt gewesen, schilderte Wedl. Die Industrie habe die Ware nur teilweise zurückgenommen: „Das ist eine tickende Zeitbombe. Die Frischeartikel haben wir in den letzten sechs bis sieben Wochen abverkauft oder eben wegwerfen müssen. Jetzt nähern sich Fette, Trocken-, Tiefkühlsortiment sowie Getränke dem Mindesthaltbarkeitsdatum“, so der Sprecher der Großhändler.

Die Trockenprodukte der Großhändler stehen kurz vor dem Ablaufdatum
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Die heimischen Lager sind voll mit Trockenware, die in den nächsten Wochen unverkäuflich wird

Abgelaufene Lebensmittel werden vernichtet

Im besten Fall könne man die überschüssigen Waren spenden, räumte Wedl ein. Da man aber bis zum letzten Tag versuche, die Lebensmittel doch noch zu verkaufen, werde das Ablaufdatum oft erreicht. Danach sei eine Spende nicht mehr erlaubt, und die Lebensmittel müssen vernichtet werden.

Die Branche habe die Märkte zudem für Endabnehmer ohne Kundenkarte oder Gewerbeschein geöffnet und teilweise bis zu 90 Prozent Rabatt gewährt. Die Verpackungsgrößen seien für die meisten Privatkunden jedoch zu groß. Die Umsatzeinbußen durch den Wegfall der Großkunden seien durch solche Maßnahmen nicht zu kompensieren. In der Branche landeten daher täglich tonnenweise Lebensmittel im Abfall, bilanzierte Wedl – etwa die vier- bis fünffache Menge wie normal.

Verdorbenes Obst und Gemüse bei den Tiroler Lebensmittel-Großhändlern
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Abgelaufene oder verdorbene Ware muss entsorgt werden

Pessimistische Prognosen

Entscheidend sei eine möglichst baldige Grenzöffnung, da der Tourismus besonders in Tirol von ausländischen Gästen abhängig sei, erklärte Lorenz Wedl: „Wir rechnen damit, dass wir im Sommer und im Herbst nur maximal 50 Prozent des normalen Umsatzes erreichen werden, 60 Prozent im Winter“, so der Großhandelssprecher. Der heimische Tourismus habe außerdem einen Imageschaden erlitten. Hier müsse erst das Vertrauen zurückgewonnen werden, betonte Wedl, der mit finanziellen Auswirkungen über mehrere Jahre rechnet.

Aufträge für heimische Großhändler: Appell an Politik

Die Großhändler forderten von der Politik, heimische mittelständische Betriebe mit der Belieferung öffentlicher Einrichtungen zu beauftragen. Viele Aufträge würden derzeit an Global Players vergeben, kritisierte Wedl: „Man muss die österreichischen Arbeitsplätze sichern und regional denken. Es wäre schön, wenn heimische Gastro-Großhändler die Versorgung in der Region sicherstellen könnten“, so der Unternehmer.

Die Entscheidung liegt teilweise beim Bund, der die Aufträge ausschreibt und auch vergibt. Nur bei Auftragswerten unter 100.000 Euro dürfen die Länder im Rahmen einer Schwellenwerteverordnung entscheiden. Diese Verordnung läuft Ende des Jahres aus. Man bemühe sich, die Verordnung zu verlängern und die Schwelle zu erhöhen, um Aufträge öfter regional vergeben zu können, betonte das Büro von Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf (ÖVP). Eine genaue Liste der derzeit zuliefernden Unternehmen unterliege dem Datenschutz.

Auch Tiefkühlprodukte wie Shrimps erreichen demnächst ihr Mindesthaltbarkeitsdatum
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Auch hochpreisige Tiefkühlprodukte überschreiten demnächst ihr Mindesthaltbarkeitsdatum

Vorübergehende Belieferung durch regionale Großhändler

Eine temporäre Weisung ermöglicht es heimischen Unternehmen derzeit, dem Bundesheer verderbliche Lebensmittel anzubieten. Über die tatsächliche Auftragsvergabe entscheiden die Kasernen selbst. Die Firma Eurogast Sinnesberger in Kirchberg belieferte so etwa kurzzeitig die Kaserne in St. Johann in Tirol. Inzwischen dürften nur noch kostenlose, extrem rabattierte Waren oder Lebensmittel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums zugeliefert werden, berichtete Geschäftsführer Franz Sinnesberger. Man beliefere auch das Bezirkskrankenhaus St. Johann, das derzeit aber nur 20 Prozent ausgelastet sei.

Bezüglich der Vergabe der Großaufträge an heimische Großhändler brauche es jedenfalls eine fixe Lösung für die Zukunft, forderte Sprecher Lorenz Wedl.