Mann schwenkt weiße Taschentücher; historische Aufnahme am Ende des Zweiten Weltkriegs
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Politik

3. Mai 1945: Das Kriegsende in Tirol

Drei Spione haben im Frühjahr 1945 von Oberperfuss aus an der Befreiung Tirols vom NS-Regime gearbeitet. Gemeinsam mit der Widerstandsbewegung bereiteten sie die kampflose Übergabe von Innsbruck an die Alliierten vor. Die „Operation Greenup“ gilt als einer der erfolgreichsten subversiven Einsätze der Alliierten im Zweiten Weltkrieg.

Die Akteure

Unmittelbar vor Kriegsende war die Situation in Tirol unübersichtlich: Wehrmacht, Gestapo, Widerstand. Die größte Sorge der Amerikaner war die Frage, ob in den Bergen mit erbitterter Gegenwehr zu rechnen sei und ob es die ominöse „Alpenfestung“ tatsächlich gebe. Das auszukundschaften war der Auftrag der Agenten der „Operation Greenup“ – drei Männer, die Ende Februar 1945 aus der Luft über Tirol abgesetzt wurden: Franz Weber, Wehrmachtsdeserteur aus Oberperfuss, Fred Mayer, deutscher Jude und Kopf des Trios, und Hans Wijnberg, jüdischer Funker aus den Niederlanden.

Strategische Annäherung von Nord und Süd

Die alliierten Befreier kamen von Norden über Reutte, Seefeld und Kufstein, später aus Süden über Innichen, den Brenner und den Reschen. Bis Ende April hatten sich die Truppen durch Europa gekämpft, in Deutschland oft ein Kampf Stadt um Stadt.

Ludwig Steiner, Tiroler Widerstandskämpfer
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Ludwig Steiner

In Tirol rief Gauleiter Franz Hofer zunächst zum „Endkampf“ gegen die Alliierten auf, doch dieser Befehl wurde nicht mehr überall bedingungslos umgesetzt. Längst hat sich der Widerstand organisiert oder wartete die Bevölkerung auf die Befreier.

In Zirl, kurz vor der Landeshauptstadt, kam den Amerikanern ein Abgesandter der jungen Tiroler Widerstandsbewegung entgegen. Ludwig Steiner, Mitarbeiter des späteren Außenministers Karl Gruber. Er ging den Amerikanern mit weißer Fahne entgegen.

Von den Orten Vils, Fernpass, Scharnitz und Seefeld gibt es Originalfilmaufnahmen oder Zeitzeugen.

Verrat und Folter

Mayer, Kopf der Agenten der „Operation Greenup“, beließ es nicht bei seinem Auftrag der Informationsbeschaffung, sondern nützte seine Verbindungen, die er in die Kriminalpolizei, die Wehrmacht und Gestapo hatte, um eine Untergrundorganisation zu bilden. Diese sollte, gemeinsam mit dem Widerstand, die Amerikaner bei der Befreiung Tirols unterstützen.

Doch Mitte April 1945 gab es plötzlich Razzien – ein Spitzel war in Mayers Netzwerk eingedrungen. Viele seiner Helfer in Innsbruck und Umgebung wurden in das Gestapo-Lager in der Innsbrucker Reichenau gebracht, einige gefoltert. Dieser Aspekt im Vorfeld der Befreiung Tirols wurde vom Historiker Peter Pirker erstmals umfassend aufgearbeitet. Nur der Umstand, dass die Amerikaner in diesen Tagen bereits vor der Türe standen, verhinderte die Exekution der verhafteten Widerständler. Die Innsbrucker Herrengasse war ein Ort der Folter, auch an Mayer.

Prominente Gefangene

Im Tiroler Unterland befreiten die Alliierten auf Schloss Itter namhafte Persönlichkeiten, die von den Nazis dort gefangen gehalten wurden: Darunter die Schwester von Charles de Gaulles, ein Mitglied der französischen Resistance, zwei ehemalige französische Premierminister. Auch in einem Hotel am Plansee stießen die Alliierten auf Gefangene, Familienangehörige von Hitler-Attentätern, hochkarätige Regimegegner, Mitglieder des bayrischen Königshauses.

Triumphpforte Innsbruck mit Passanten; historische Aufnahme gegen Ende des Zweiten Weltkriegs
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Innsbruck in den letzten Kriegstagen

Die Rolle von Gauleiter Hofer

In den letzten Kriegstagen erwies sich der Umstand, dass man mit dem verwundeten Gefangenen Mayer Zugriff auf einen gewichtigen Vertreter der US-Truppen hatte, als günstig für den opportunistischen Gauleiter Hofer. Dieser hatte Adolf Hitler die Idee einer „Alpenfestung“ nahegelegt, die aber Phantom blieb. Im April zog sich Hofer auf den Lachhof in der Nähe von Hall zurück, er wusste, dass der Krieg nicht mehr lange dauern würde. Zu ihm wird der verwundete Mayer gebracht. Das Ergebnis der Zusammenkunft: Hofer übergibt auf Vermittlung von Widerstandsbewegung und US-Agent Mayer den Amerikanern Innsbruck kampflos als freie Stadt.

Stoff für Film und Buch

Die „Operation Greenup“ gilt in den USA als einer der erfolgreichsten Spionageeinsätze gegen Nazi-Deutschland – zu diesem Resümee kommt der Historiker Pirker. Bereits 1946 erschienen in der US-Presse erste Artikel über diese Aktion im Rahmen des Office for Strategic Services (OSS), dem Vorläufer der CIA. Die „Operation Greenup“ bildet die Vorlage für Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds“.

Mann beugt sich über Landkarte, er trägt Handschuhe
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Der Historiker Pirker befasst sich in seinem Buch „Codename Brooklyn. Jüdische Agenten im Feindesland“ mit der Bedeutung, die die „Operation Greenup“ neben dem lokalen Widerstand für die Befreiung Tirols hat. Ausführlich studierte er dafür Originalberichte in der National Archives and Records Administration in Washington.

Buchhinweis

Peter Pirker, Codename Brooklyn. Jüdische Agenten im Feindesland. Die Operation Greenup 1945. Haymon Verlag 2019, 368 Seiten, 29,95 Euro.