Saisonarbeiter auf Tiroler Gemüsefeld
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Wirtschaft

Kontroverse über eingeflogene Erntehelfer

Der Coronavirus-Fall bei einem eingeflogenen Erntehelfer aus Rumänien sorgt für Kritik. SPÖ und FPÖ stellten infrage, dass angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Österreich ausländische Saisonarbeiter gebraucht werden. Auch Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) äußerte Zweifel.

Die Oppositionsparteien FPÖ und SPÖ kritisierten am Freitag das Einfliegen rumänischer Erntehelfer nach Innsbruck. Einer jener 143 Arbeiter, die von Tiroler und Kärntner Gemüsebaubetrieben geholt wurden, war am Donnerstag positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Freiheitlichen sprachen von einem „ÖVP-Erntehelferimport“, der die Ansteckungsgefahr in Tirol weiter anheize. Der Flug sei erfolgt, „obwohl die Grenzen eigentlich dicht sein sollten“, sagte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.

Für die Tiroler SPÖ war es völlig unverständlich, dass man überhaupt Arbeitskräfte aus dem Ausland brauche. „In der Branche stimmt etwas nicht, wenn man trotz 560.000 arbeitslos gemeldeter Menschen und einer bundesweiten Anwerbeaktion nicht genug einheimische Arbeitskräfte findet“, so Elisabeth Fleischanderl, SPÖ-Gesundheitssprecherin im Tiroler Landtag. Sie führte das auf das „dramatisch niedrige Lohnniveau“ sowie die „vorherrschenden Arbeitsbedingungen“ zurück. Wirtschaftsinteressen würden erneut vor der Gesundheit der Menschen stehen, meinte die SPÖ-Politikerin.

Saisonarbeiter bei der Ernte von Frühlingszwiebeln
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In Tirol läuft die Gemüseernte derzeit voll an

Mehrere Erntehelfer wurden nach positivem Test isoliert

19 enge Kontaktpersonen wurden nach dem Testergebnis unter Quarantäne gestellt, es handelte sich dabei um Saisonarbeiter, die beim Flugtransfer nach Innsbruck in derselben Sitzreihe und in den benachbarten Sitzreihen saßen. Laut Land Tirol zeigte der positiv getestete Erntehelfer „kaum Symptome“. Der 46-Jährige wurde vom Mitarbeiterquartier in eine andere Unterkunft gebracht. Für die Kosten müsse der Gemüseanbaubetrieb aufkommen.

Vonseiten der Tiroler Landwirtschaftskammer hieß es gegenüber der APA, dass keine weiteren derartigen Flüge geplant seien. Die Erntehelfer seien am Mittwoch in maximal mit fünf Personen besetzten Kleinbussen in die Mitarbeiterunterkünfte von 17 Tiroler Gemüsebauern in den Bezirken Innsbruck-Land, Schwaz, Innsbruck und Landeck sowie zu Betrieben nach Kärnten gebracht worden. Dabei sei in den Fahrzeugen ein Sicherheitsabstand gewahrt worden.

Erntehelfer auf Tiroler Feldern
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Die Gemüsebauern sind nach eigenen Angaben auf bewährte Erntehelfer angewiesen

Der Flug wurde von den Betrieben selbst organisiert und bezahlt. Für die Unterkünfte, die Arbeit im Freiland und auch in überdachten Bereichen würden zudem strenge, vom Gesundheitsministerium und Landwirtschaftsministerium gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer ausgearbeitete Sicherheits- und Hygienestandards gelten, hieß es vonseiten der Landwirtschaftskammer.

Platter stellt „Konzept“ infrage

Landeshauptmann Platter reagierte in einer Pressekonferenz auf die Kritik. Er stellte „das Konzept“ infrage. Vielmehr müsse man danach trachten, vermehrt Mitarbeiter aus dem eigenen Land für diese Tätigkeiten zu bekommen, so der Landeshauptmann. Den Fall des nun positiv auf das Coronavirus getesteten Arbeiters sah Platter aber nicht als Anlass für Kritik, dass Wirtschafts- über Gesundheitsinteressen gestellt würden. Das sei damit nicht in Verbindung zu bringen, sehr wohl aber damit, künftig so viel wie möglich im eigenen Land abzudecken und zu produzieren. Die Krise müsse dazu führen, dass in verschiedenen Themenbereichen Lehren gezogen werden, meinte Platter.

Ministerium spielte Ball an Gemüseanbaubetriebe weiter

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hatte zuletzt erklärt, dass ein Einfliegen von Tausenden Erntehelfern und Saisonniers aus Osteuropa – wie etwa in Deutschland – derzeit nicht im Fokus stehe. Wenn landwirtschaftliche Betriebe Stammpersonal und Fachkräfte einfliegen wollen, dann müsse es die Branche selbst organisieren. Seitens des Landes Tirol und der Tiroler Landwirtschaftskammer hatte es unterdessen geheißen, dass man solche „Profis“, die sowohl auf dem Feld als auch in der Verarbeitung tätig sind, brauche, um den Handel mit heimischen Lebensmitteln zu bedienen.

Landwirtschaftskammer-Österreich-Chef Josef Moosbrugger sah das Einfliegen von Erntehelfern aus Osteuropa hingegen skeptisch. „Das sehen wir österreichweit kritischer, es ist aber eine Entscheidung der Regionen“, so Moosbrugger Anfang April.