Labor mit Mitarbeiterinnen
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Wirtschaft

Sandoz Tirol produziert auf Hochtouren

Viele Tiroler Wirtschaftsbetriebe haben wegen der Krise enorme Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Der Medikamentenhersteller Sandoz in Kundl und Schaftenau arbeitet derzeit mit Hochdruck, um die erhöhte Nachfrage befriedigen zu können.

In der Krise zeige sich die Verlässlichkeit des Standortes Tirol, sagt Geschäftsführer Mario Riesner. Durch die Coronavirus-Krise sei der Bedarf an Antiinfektiva weltweit gestiegen, so Riesner, der Geschäftsführer von Sandoz in Kundl und Schaftenau. Antiinfektiva sind Antibiotika, die bakterielle Infektionen bekämpfen, die oft mit Viruserkrankungen einhergehen. Sandoz ist der letzte in Europa verbliebene Betrieb, der Antibiotika herstellt, von der Erzeugung des Wirkstoffs bis zum fertigen Medikament. Um die verstärkte Nachfrage befriedigen zu können, fahre das Unternehmen derzeit mit Volllast, sagt Riesner.

Kurzarbeit sei kein Thema, im Gegenteil, man habe sogar noch zusätzliche Arbeitskräfte einstellen müssen. Sandoz und der Mutterkonzern Novartis hätten daher beschlossen, auf jegliche staatliche Hilfen zu verzichten, die in der aktuellen Krise ausgeschüttet würden. „Andere Unternehmen brauchen die dringender“, sagt Riesner.

Medikamentenpackungen nah
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200 Millionen Medikamentenpackungen pro Jahr produziert Sandoz in Tirol

2.000 Mitarbeiter in der Produktion und den Laboren

Natürlich mache das Virus auch vor den Toren von Sandoz nicht halt, man habe die Situation aber im Griff. Schon seit drei Wochen seien rund 2.000 Mitarbeiter im Homeoffice, was eine enorme Herausforderung darstelle, so Riesner. Die mehr als 2.000 Arbeitskräfte in der Produktion und in den Laboren hingegen seien voll im Einsatz. Händedesinfektion, Mundschutzmasken, klar geregelte Abstände machten das möglich. „Professional distancing“ nennt Riesner diese Maßnahmen.

Labormitarbeiterin mit Mundschutz
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„Professional distancing“. Abstand und Maske sind bei Sandoz selbstverständlich

Das größte Problem in der Krise seien die Einschränkungen im Güterverkehr. Es erfordere jeden Tag ausgeklügelte Planungen, um die Rohstoffe in das Werk und die fertigen Produkte zum Kunden zu bringen. Aber es funktioniere, man könne die Nachfrage abdecken, sagt Riesner. Und mehr als das: Soeben habe die Weltgesundheitsorganisation WHO sechs Millionen zusätzliche Einheiten angefordert. Auch diesen Bedarf könne man erfüllen, versichert Riesner.

Antibiotikaproduktion zurück nach Europa?

„Wie wir in der Krise die Produktion aufrechterhalten, ohne Unterbrechung und in gleichbleibender Qualität, das beweist, dass wir ein verlässlicher Partner sind, auf den man bauen kann“, sagt der Geschäftsführer selbstbewusst. Das stärkt den Produktionsstandort in Kundl und Schaftenau, der in seiner derzeitigen Form nicht ganz unumstritten ist. Seit Jahren erwägt der Mutterkonzern Novartis, die Antibiotikaproduktion in ein Land auszulagern, wo die Lohnkosten niedriger sind, wie es die meisten europäischen Pharmakonzerne tun. Der Großteil der weltweiten Antibiotika- Wirkstoffe wird seit Jahren in China hergestellt.

Sandoz total von oben
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Das Sandoz Werk in Kundl: Der größte Produktionsstandort des Pharmakonzerns Novartis

In der Covid-19-Krise wird nun der Ruf laut, die Antibiotikaproduktion wieder nach Europa zurückzuholen, um sich von Lieferungen aus China unabhängig zu machen. „Es kann nicht sein, dass wir abhängig sind von China und dass wir zum Beispiel im Bereich Antibiotika darüber nachdenken, Produktionsstätten in Europa zu schließen", sagte etwa Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck (ÖVP) Ende Februar am Rande des EU Wettbewerbsgipfels in Brüssel.

“Rosige Zukunft“ für Kundl und Schaftenau

Sandoz Geschäftsführer Riesner begrüßt diese Diskussion. Die Krise zeige, dass es die Stabilität erhöhe, auf mehrere Standorte zurückgreifen zu können, statt nur von einem abhängig zu sein, sagt er. Als lokaler Produzent könne man dieses Problem allerdings nicht lösen, da sei die Politik gefragt, schränkt er ein. Er persönlich glaube nicht, dass die Antibiotikaproduktion in Kundl so bald ersetzt werden würde. Allerdings sei es die Aufgabe des strategischen Managements, rechtzeitig in neue Produkte zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

An Ideen und Produkten für die Standorte Kundl und Schaftenau mangle es nicht, sagt Riesner. Der Mutterkonzern Novartis habe in den vergangenen zehn Jahren rund eine Milliarde Euro in Tirol investiert und bekenne sich zu diesem Standort. „Ich sehe für Kundl und Schaftenau eine rosige Zukunft“, so Mario Riesner wörtlich.

Frauen im Labor
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Die Labore von Sandoz werden möglicherweise bald für Coronavirustests genutzt

Sandoz-Technologie für Covid-Tests?

Im Augenblick evaluiere Sandoz, wie man den österreichischen Gesundheitsbehörden Labore und Technologien für die Coronavirustestung zur Verfügung stellen könne, sagt Geschäftsführer Mario Riesner. Schon in den vergangenen Wochen hat Sandoz den Tiroler Krankenhäusern 30.000 Mundschutzmasken zukommen lassen und dem Österreichischen Roten Kreuz 150.000 Euro zur Bewältigung der Coronavirus-Krise gespendet.

Der Mutterkonzern Novartis stellt weltweit 130 Millionen Dosen Hydroxychloroquin zu Verfügung, ein Malariamedikament, das auch bei der Behandlung von Covid 19 zum Einsatz kommt. Die Verteilung in Österreich hat bereits begonnen.