Auch wenn viele Schülerinnen und Schüler es anfangs echt cool fanden, dass die Schulen zusperrten. In der Realität des Online-Unterrichts während der Krise wird so manchem klar, dass die festen Strukturen der Schule auch Sicherheit geben und der persönliche Austausch in der Klasse digital nicht so leicht zu ersetzen ist.
Wenn der Computer spinnt, steht alles still
Auch der größte Lerneifer wird gebremst, wenn sich das PC-System wegen Überlastung aufhängt. Gerade in den ersten Tagen nach dem Schließen der Schulen kamen Familien an den Rand des Nervenzusammenbruchs, weil sie die technischen Anforderungen der digitalen Schule nicht bewältigen konnten. Inzwischen hat sich zumindest das etwas eingependelt.
Aber selbst wenn alles rein technisch funktioniert, trat vor allen in den ersten Wochen des Home-Schoolings ein Manko erschreckend ans Tageslicht: Viele aber nicht längst nicht alle Kinder und Jugendlichen haben einen eigenen PC zu Hause. Das sei aber unbedingt notwendig, wenn das mit dem Home-Schooling klappen soll, ergab eine österreichweit durchgeführte Studie der Elternvereine.
Die Umfrage unter Eltern von Kindern der Schulstufen 5 bis 13 wird als repräsentativ eingestuft. Die Umfrage ergab, dass nur 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen dem Unterricht folgen können, wenn sie keinen uneingeschränkten Zugang zu einem Computer haben. Selbst wenn ein solcher ständiger Zugang gegeben ist, können laut Studie nur 40 Prozent ihre Aufgaben alleine bewältigen.

PC-Aktion der Bundesregierung
Die Bundesregierung stellte bis zu 12.000 PCs für jene Schüler an Bundesschulen bereit, die am „Distance Learning“ nicht teilnehmen können, weil sie keine Endgeräte haben. Das kündigte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) an. Die Geräte werden aber nicht verschenkt, sondern nur bis Ende des Schuljahres geliehen. Es werden dafür 5,5 Mio. Euro ausgegeben. Die PCs gehen an AHS und berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS). Volksschulen und Neue Mittelschulen schauen bei dieser Aktion aber durch die Finger.
Nur ein System bitte!
„Unsere Tochter muss mittlerweile täglich zwölf Moodle-Kurse durchsuchen, ob es Änderungen und neue Arbeitsaufforderungen gibt. Einiges kommt als automatisches Mail aus einem Moodle-Forum, steht dann nochmals im Moodle-Kurs und wird teilweise ein drittes Mal als Mail geschickt. Manche Informationen/Arbeitsaufträge kommen nur als Mail, einige aber auch nur irgendwo im Moodle-Kurs ohne Datumsbezug. Einzelne Kolleg*innen schreiben pro Task ein neues Thema, bei anderen verschwinden diese Informationen im bisherigen Inhalt.“ So schrieb es ein verärgerter und verzweifelter Vater an den Tiroler Landeselternverband.
Bei der österreichweiten Umfrage stand ein Wunsch der Eltern ganz an der Spitze: Man solle möglichst nur eine Online-Plattform für den Unterricht verwenden, das würde vieles erleichtern und die Strukturen für die Schülerinnen und Schüler vereinfachen. Gewünscht wurde außerdem mehr Feedback des Lehrpersonals und mehr direkten Onlineunterricht statt einer bloßen Verteilung von Aufgaben.

Eltern im Ausnahmezustand
Viele Eltern sehen sich plötzlich mit der Rolle des Lehrers oder der Lehrerin konfrontiert. Auch wenn sie sämtliche fernen Erinnerungen aus der eigenen Schulzeit hervorkramen, sie wissen in der Regel nicht, wie sie ihren Kindern ihr Wissen vermitteln sollen. Sie haben nicht gelernt, zu lehren. Außerdem wurde in der eigenen Schulzeit noch vieles anders beigebracht als heute. „Ich erkläre meinem Kind nach bestem Wissen und Gewissen die Rechenaufgabe. Dann kommt die Aufgabe zurück und es heißt vom Lehrer, es wurde der falsche Rechenweg gewählt und deshalb ist alles verkehrt, “ berichtete ein verzweifelter Vater. Mit der Deutsch-Grammatik ist es auch nicht viel leichter, fügte er kleinlaut hinzu.
Zudem sehen sich viele Eltern außerstande, täglich mehrere Stunden die Ersatzlehrkraft zu spielen. Sie sind zwar derzeit zum Beispiel im Homeoffice zu Hause, müssen aber für ihren Beruf auch ihre Leistungen erbringen. Diese neue Doppelbelastung bringt viele an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.

Den Leitfaden für alle gibt´s nicht
Im übrigen tun sich selbst Profis, also auch Pädagoginnen und Pädagogen, schwer, wenn es um den Heim-Unterricht der eigenen Sprösslinge geht. Und den Leitfaden, wie es jetzt in der Schule zu Hause am besten klappt, gebe es leider nicht, erklärte Christian Kraler vom Institut für Lernforschung an der Universität Innsbruck. Er ist selbst geforderter Vater. „Wir dürfen aber nicht unterschätzen, dass Lernen eine sehr individuelle Sache ist und jeder seinen eigenen Rhythmus hat. Es kann ein paar Tage dauern, bis sich dieser Rhythmus eingestellt hat,“ rät er zu etwas Geduld. Und eines sei ganz klar: „Lernen muss jeder Schüler und jede Schülerin selbst, die Eltern können nur den Rahmen geben und unterstützen.“
Gemeinsam die Schule packen
Feste Strukturen, auch in Zeiten des Home-Schoolings helfen im Alltag: Also vorgegebene Lernzeiten einhalten, die sich dann mit Freizeit abwechseln, bestätigten betroffene Eltern. Und eines scheint in der jetzigen Situation für Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern besonders wichtig: „Die Schule ernst, aber nicht zu ernst nehmen,“ riet Christian Kraler im ORF Tirol Interview. „Druck und Stress herausnehmen und Pausen einlegen, bevor eine Situation eskaliert.“
Und noch eines: Egal ob Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler oder Eltern, alle stehen derzeit vor besonders großen Herausforderungen. Das Wissen um die gemeinsamen Hürden könnte in der ein oder anderen Situation helfen, das gegenseitige Verständnis zu fördern und sich in Gelassenheit zu üben. Wie heißt es in diesen Tagen so oft: „Gemeinsam schaffen wir das.“