Deutsche und österreichische Fahne vor der Gemeinde Jungholz
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Politik

Schranken für Tiroler Enklaven

Der einzige Weg nach Tirol für die Einwohner der Gemeinde Jungholz und des Vomper Ortsteils Hinterriß führt über Deutschland. Die Grenzschließungen zum Nachbarland trennen die Gemeinden nicht nur vom Bundesland, sondern auch von Geschäften, Ärzten und Apotheken.

Ungefähr 30 Bewohner zählt der kleine Vomper Ortsteil Hinterriß, der durch das Karwendelgebirge vom Rest Tirols getrennt wird. Die rund 300 Jungholzerinnen und Jungholzer hingegen werden vom Allgäu umrahmt. Von beiden Orten kommt man nur nach Tirol, wenn man Deutschland passiert. Die deutschen Behörden haben allerdings die Schranken geschlossen und die Grenzen dicht gemacht.

Kompromiss in Hinterriß

Die kürzeste Strecke von Hinterriß in das Achental und somit nach Tirol wurde vor rund zwei Wochen von den deutschen Behörden geschlossen. Ein Schranken verhindert die Durchfahrt – auch für Ortsvorsteher Manfred Reindl.

Nur über einen Umweg von etwa einer Stunde, über Bad Tölz und den Tegernsee, kommt der Hinterrißer zur österreichischen Grenze. Dort darf der Achenkircher Postbote wenigstens die Post und Medikamente unter dem Schranken durchreichen. Lebensmittel müssen im nahegelegenen Lenggrieß in Deutschland besorgt werden.

Kirche und Gasthof Post in Hinterriß
Im Vomper Ortsteil Hinterriß wohnen ungefähr 30 Menschen.

Deutsche Polizei droht mit hohen Geldstrafen

Zu dieser Lösung ist der Vomper Bürgermeister Karl Josef Schubert in Absprache mit der Bezirkshauptmannschaft Schwaz und dem Landratsamt Bad Tölz/Wolfratshausen gekommen. Der Hinterrißer Ortsvorsteher Manfred Reindl habe auf den Schranken aufmerksam gemacht, nachdem ihm die deutsche Polizei mit hohen Geldstrafen für das Übertreten gedroht habe. Die jetzige Situation mit dem Umweg von 60 Kilometern sei unbefriedigend, aber fürs Erste hinzunehmen, sagt der Vomper Bürgermeister Karl Josef Schubert. Sobald die Almsaison losgehe, müsse eine andere Lösung für den Grenzübergang gefunden werden.

Sollte es in Hinterriß einen medizinischen Notfall geben, so stütze man sich auf die Flugrettung. Wenn die Tiroler Rettungshubschrauber aus irgendeinem Grund nicht fliegen können, so tretet die bodengebundene Variante über Deutschland in Kraft. Auch die zuständige freiwillige Feuerwehr Achenkirch wisse, wie sie mit dem Schranken umzugehen habe, so der Bürgermeister.

Blitzlichtgewitter am Schranken

Die Lage der Hinterrißerinnen und Hinterrißer hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Der Ortsvorsteher Manfred Reindl habe unzählige Presseanfragen zu beantworten, Interviews zu führen und Fototermine zu absolvieren. So ist fast jedes Mal ein Pressefotograf vor Ort, wenn er die Post unter dem Schranken durchgereicht bekommt. Der Wirt sieht den Rummel um sein Dorf positiv und denkt schon an die Zeit nach der Krise: Es sei kein Fehler, dass jetzt mehrere Menschen wissen, wo das kleine Dorf Hinterriß liegt, schmunzelt er.

Jungholz in Sonderstellung

Auch in der Reuttener Gemeinde Jungholz ist ein Schranken beim Grenzübergang installiert worden. Es gebe aber noch eine Ortsausfahrt, und außerdem arbeite man schon seit jeher gut mit den deutschen Behörden zusammen, erklärt die Jungholzer Bürgermeisterin Karina Konrad gegenüber ORF Tirol. Als ehemaliges Zollauschlussgebiet pflege die Gemeinde engen Kontakt mit dem Oberallgäuer Landrat. Die Zusammenarbeit habe sich auch in dieser Krisensituation bewährt, so die Bürgermeisterin.

Gemeindeamt Jungholz
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Die Gemeinde Jungholz grenzt nicht an Tirol.

Erledigungen werden von den Jungholzerinnen und Jungholzern prinzipiell in Deutschland gemacht. Denn die Gemeinde verfügt weder über einen Supermarkt, noch über einen Arzt oder Ärztin oder eine Apotheke. Arbeit und Schule führen die Bewohnerinnen und Bewohner auch meistens über die Grenze. Die Bürgermeisterin verweist auf Bestätigungen, die bei der Ausreise aus Jungholz mitzuführen sind. Sie habe aber auch ihren Kontakt bei der zuständigen Polizeibehörde hinterlegt, falls es zu Komplikationen kommen sollte.