Arbeit mit Schutzausrüstung auf Intensivstation
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Coronavirus

Schwere Verläufe auch bei jungen Menschen

Immer noch wird das Corona-Virus von vielen verharmlost. Intensiv-Ärzte warnen vor einem falschen „Sicherheitsgefühl“ jüngerer Menschen. Auch der Vergleich mit den Maßnahmen in Schweden ist für Experten schwierig.

Herbert Tilg, der Leiter der Inneren Medizin der Klinik Innsbruck, kennt die vielen Falschmeldungen, die in Tirol kursieren. Von „daran sterben nur ältere Menschen“ bis hin zu „das ist nicht schlimmer als eine Grippe“. Für ihn und sein Team seien diese Aussagen schmerzhaft und inakzeptabel. Denn auf seiner Intensivstation sieht Tilg täglich die realen Folgen des Corona-Virus.

Intensivbetten in Tirol

Am Donnerstag waren 55 der 227 Tiroler Intensivbetten mit Covid-Patientinnen und Patienten belegt. 106 Intensivbetten waren frei.

Viele jüngere Patienten schwer erkrankt

Die Intensivstation seiner Abteilung sei voll, alle Patientinnen und Patienten müssen beatmet werden. Ein Großteil von ihnen ist laut Tilg allerdings jünger als 65 Jahre, die meisten haben keinerlei Vorerkrankungen und waren zuvor gesund und sportlich. „Unsere Intensivstation ist das Spiegelbild der Krankheit“, so Tilg.

Wissenschafter arbeitet im Labor
APA/AFP/Guyot
Das Ergebnis eines Stichprobentests soll kommende Woche zeigen, wie hoch die Dunkelziffer an Erkrankten in Österreich ist

Lebensgefahr für junge Menschen real

Warum manche Menschen einen milden Verlauf und kaum Symptome haben und andere einen sehr schweren Verlauf über mehrere Wochen, kann die Wissenschaft derzeit noch nicht beantworten. Es sei aber mittlerweile klar, dass das Corona-Virus auch für junge Menschen zur Lebensgefahr werden könne, diese Tatsache müsse man akzeptieren, so Tilg.

Auch Patientinnen und Patienten, die die Intensivstation wieder verlassen können, müssen mit einer längeren Nachbehandlung und einer langen Erholungsdauer rechnen, so Tilg. Denn die Beatmung auf der Intensivstation ist sehr anstrengend für den Körper. Am Donnerstag konnte der erste Intensivpatient Tirols wieder auf eine Normalstation – mehr dazu in Erster CoV-Intensivpatient auf Normalstation.

Widerstand gegen strenge Maßnahmen als Gefahr

Auch gegen die Maßnahmen in Österreich regt sich mittlerweile Widerstand. Der Tiroler Peter Kreidl ist Epidemiologe, er war jahrelang am Europäischen Zentrum für Seuchenprävention beschäftigt, und war auch Abteilungsleiter für Infektionskrankheiten, Krisenmanagement und Seuchenhygiene im österreichischen Gesundheitsministerium. Dass die strengen Maßnahmen für die Menschen schwierig umzusetzen sind, kann er verstehen, seiner Meinung nach sind sie aber notwendig.

Nur so könnten die Risikogruppen in der Bevölkerung geschützt werden – und eben auch jene, die mit einem schwachen Verlauf rechnen, aber dann doch schwer erkranken. Wissenschaftliche Belege für die eingeführten Maßnahmen würden zwar fehlen, das liege aber daran, dass diese Situation bisher einzigartig sei. Die bisher gesetzten Maßnahmen in Österreich seien wahrscheinlich die zielführendsten, so Kreidl. Simulationsmodelle haben laut dem Experten gezeigt, dass weniger strenge Maßnahmen auch weniger effektiv sind und damit auch zu einer hohen Anzahl von Todesfällen führen.

Schweden als Vorbild?

Viele Menschen berufen sich auf Schweden. Dort wurden zwar Veranstaltungen verboten und Unis und Schulen geschlossen, Gasthäuser und Geschäfte dürfen aber weiter geöffnet bleiben. Die Regierung setzt dort auf den Hausverstand der Schwedinnen und Schweden – mehr dazu in Die Welt steht still (news.ORF.at).

In Schweden wurden bisher deutlich weniger Infektionen gemeldet als in Österreich. Gleichzeitig werde dort eine andere Testing-Strategie geführt. Dort würden vor allem Risikopersonen und Krankenhauspersonal getetest. Die Anzahl der Todesfälle ist dort aber bereits deutlich höher als in Österreich. In Schweden sei mit einer rapide ansteigenden Todeszahl zu rechnen, glaubt Kreidl.

Gemeinsames Vorgehen der EU

Er hätte eine gemeinsame Strategie der EU-Länder für sinnvoll gehalten. Das wäre ein Vorteil, um solche Vergleiche zu vermeiden. Die Krankheit trete aber nicht in allen Ländern gleichzeitig auf, hier komme es zu Verzögerungen. Eine Lockerung der Maßnahmen in Österreich ist für Kreidl derzeit aber deutlich zu früh. Es gebe einen guten Trend in die richtige Richtung, also weniger Neuinfektionen, das müsse aber erst über die nächsten Tage bestätigt werden.