Kultur

Kreative Künstler in der Quarantäne

Konzerte, Theateraufführungen und Ausstellungen sind abgesagt. Das Publikum bleibt zu Hause. Das bringt viele freischaffende Künstlerinnen und Künstler finanziell in eine prekäre Lage. Alternative Auftrittsmöglichkeiten sind gefragt.

Corona-Song vom Balkon

Die Tiroler Jazzpianistin Rita Goller ist gewohnt, vor großem Publikum aufzutreten. Nun spielt sie von ihrem privaten Balkon in Gnadenwald ihren selbst komponierten Corona-Song. Mit großer Kunst habe das wenig zu tun, meint sie. Mit Hits wie „Here comes the sun“ von den Beatles will sie ihre Nachbarn erfreuen. Doch die dürfen das Live-Konzert nur vereinzelt genießen.

Balkonkonzert von Rita Goller
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Die Tiroler Jazzpianistin Rita Goller spielt je nach Stimmung täglich ein anderes Programm von ihrem Balkon in Gnadenwald

„Ich spiele für meine Familie, die im unteren Stockwerk wohnt und zur Risikogruppe zählt und für meine Nachbarn. Das ist ein solidarisches Zeichen. Mir geht´s nicht darum, dass zwanzig Leute unter meinem Balkon stehen. Die Fenster sind weit geöffnet, ich werde gehört und ich bekomme über social media viel positives Feedback.“

Passanten
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Zufällig vorbeikommende Spaziergänger genießen das Balkonkonzert aus sicherer Entfernung

Wie viele andere Kulturschaffende wurde die gefragte Pianistin abrupt aus ihrem Saisonalltag gerissen. Zuletzt ist sie mit ihrer Band in einem Hotel in St. Christoph aufgetreten und hat sich danach selbst zwei Wochen in Quarantäne begeben. Finanziell sei sie in einer äußerst prekären Lage. Fehlende Honorare seien noch ausständig und natürlich würde jetzt niemand buchen. Goller hofft auf die von der Kulturabteilung des Landes angekündigten Entschädigungszahlungen.

Auf KULTURQUARANTÄNE „live gehen“

Den digitalen Trend nützt das fünfköpfige Team des Innsbrucker Innpro-Theaters. Der Innsbrucker Schauspieler Johannes Schmid hatte die Idee, Kulturschaffenden eine Aufftrittsmöglichkeit im Internet zu bieten. Bereits am 13. März ging die Kulturquarantäne online.

Laptop
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Die Plattform „Kulturquarantäne“ bietet Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne im Internet

Ganz wichtig ist den Initiatoren das Live-Gefühl. So wie man ins Theater oder ins Konzert geht, so solle man live auf Kulturquarantäne gehen, erklärt die Schauspielerin und Mitbegründerin Alexandra Kronberger.

Schauspielerin Alexandra Kronberger
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Die Schauspielerin Alexandra Kronberger ist mit der Organisation der Live-acts auch technisch gefordert

Das Angebot reicht vom schwungvollen Boogie-Woogie Konzert über Lyrik-Lesungen bis zu einem unterhaltsamen Kinderprogramm. Viermal täglich wird live übertragen. Den Machern geht es um ein anspruchsvolles Angebot, keine tragischen Corona-Lieder sind gefragt, sondern Normalität.

Sehnsucht nach dem echten Publikum

„Wir wollen ernsthafte Kultur präsentieren. Alle sind eingeladen, uns Beiträge zu liefern, aber jeder soll sich überlegen, ob er sich mit seinem Programm auf eine echte Bühne stellen und dafür Eintritt verlangen würde“, erklärt Kronberger ihre Intention.

An den Reaktionen spüren die Betreiber die große Sehnsucht der Künstlerinnen und Künstler nach ihrem Publikum. „Eine Sängerin hat mir gestern erzählt, wie glücklich sie sei, sich wieder einmal ordentlich zu stylen und nicht nur für ihren Hund zu singen“, erzählt Kronberger schmunzelnd. Das Online-Programm könne natürlich das elektrisierende Gefühl einer realen Aufführung nicht ersetzen. „Wir alle vermissen es, auf der Bühne zu stehen und direktes Feedback zu bekommen“, schildert die Schauspielerin ihre Situation.

Musikkabarett aus Tirol

Im geschlossenen aber digital aktiven Innsbrucker Treibhaus animiert Norbert Pleifer, Künstlerinnen und Künstler dazu, Trost und Liebe zu spenden. Täglich um 6 nach 6 geht ein neues Video online. Die drei Tiroler Musiker Siggi, Juliana und Rafael Haider melden sich zum Beispiel aus der „Après-Ski Quarantäne“ mit dem satirischen Beitrag „Der Virus aus Tirol“. Dieses Video geht derzeit viral im Netz.

Die Musikerfamilie Haider ironisiert die Après-Ski-Gaudi

Disziplin im Blut

Auf ihr Publikum müssen derzeit auch die Tänzerinnen und Tänzer des Tiroler Landestheaters verzichten. Für sie ist es schwer, ohne das intensive gemeinsame Balletttraining fit zu bleiben. Doch die Ballerinas improvisieren zu Hause. Company-Chef Enrique Gasa Valga versucht, sein Team telefonisch bei Laune zu halten. „Meine Tänzer stammen aus allen Teilen der Welt. Sie sind sehr jung und leben nun in Innbruck abgeschottet und weit entfernt von ihren Familien. Das ist keine einfache Situation“, erklärt Gasa Valga.

Der Amerikaner Addison Ector trainiert in der Küche

Die beiden Ensemblemitglieder Lara Brandi und Gabriele Marseglia machen aus der Not eine Tugend. Das italienische Paar kann über sich selbst lachen.

Das Ehepaar Brandi – Marseglia beweist Humor

Das Museum kommt ins Wohnzimmer

Eine neu installierte Neonarbeit des Innsbrucker Künstlers Christoph Hinterhuber strahlt vom Gesims des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum. Auch hier versucht man, das Publikum online zu unterhalten.

Direktor Peter Assmann präsentiert sein Lieblingsbild

Neben Expertenführungen werden in den Tiroler Landesmuseen außerdem Mitmachvideos für Kinder und eine Mittagsmeditation online geboten. Trotz aller Bemühungen und Initiativen kann über das Netz weder die Aura des Originals vermittelt werden noch die prickelnde Atmosphäre in einem Konzertsaal. Daher hoffen wohl alle, dass der Vorhang möglichst bald wieder auf geht.