Warnstreiks beim größten Tiroler Sozialwirtschaftsbetrieb, der Lebenshilfe, gab es am Mittwoch in Reutte, Landeck, Ötztal Bahnhof, Innsbruck, im Zillertal und in Telfs. Der Betrieb wurde jeweils für einige Stunden eingestellt. So war etwa die Werkstätte in Telfs geschlossen.
Laut Sonja Föger-Kalchschmied, der Betriebsratsvorsitzenden der Lebenshilfe Tirol, seien die Streiks zu den aktuellen Verhandlungen die ersten der Lebenshilfe in ihrer Geschichte. Etwa 80 Prozent der Beschäftigten der Lebenshilfe würde in Teilzeit arbeiten. Für sie brächte die Arbeitszeitverkürzung mehr Geld – „und das bedeutet weniger Altersarmut“, so Föger-Kalchschmied.
Große Belastung im Pflegebereich
Im Pflegeberuf stehe man unter einer hohen Belastung. Angesichts dieser Belastung seien die Ruhezeiten oft nicht ausreichend – vor allem bei der mobilen Betreuung –, meinten Betroffene in Telfs.
„Wenn der Job so anstrengend ist, dass man ihn in der Realität nicht in Vollzeit ausüben kann, muss dringend gehandelt werden“, betonte Margit Luxner, Betriebsratsvorsitzende in einem Kitzbüheler Pflegeheim und Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Gesundheit und Soziales in der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) Tirol. Neben der Attraktivierung der Branche für Jüngere und Quereinsteiger sieht sie auch die Sicherung der Betreuungsqualität als Ziel.
Betrieb wird auf ein Minimum reduziert
Vonseiten der Gewerkschaft hieß es, dass die Versorgung zwar gewährleistet, allerdings auf ein Minimum reduziert sei. „Wenn Werkstätten früher die Begleitzeit beenden, sind in den Wohneinrichtungen Sonderdienste eingerichtet. Viele Leitungen haben sich bereiterklärt, einen Notdienst zu machen“, erklärte die Betriebsratsvorsitzende der Lebenshilfe Tirol für ihre Einrichtung.
Das nimmt der Hauptverhandler auf Arbeitgeberseite, Walter Marschitz, „wohlwollend zur Kenntnis“. Er blickt den Streiks gelassen entgegen, wie er sagte. Die Zahl von 300 Betrieben österreichweit – in Tirol sind es 28 – sei relativ gering und habe „Symbolcharakter“, so Marschitz. Für ihn gelte es im Hinblick auf die weiteren Verhandlungen die 100 unterschiedlichen Berufsgruppen – und damit unterschiedlichen Auffassungen gegenüber der Arbeitszeitverkürzung – zu vereinen.
Für die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bräuchte man in Österreich laut Hauptverhandler Marschitz 1.500 zusätzliche Pflegekräfte. Das gehe sich nicht aus. Auch wenn der Pflegebereich in den letzten Jahren so stark gewachsen sei wie kein anderer, sei der Bedarf größer als das Angebot. Denn gerade jetzt seien geburtenstarke Jahrgänge im pflegebedürftigen Alter. Außerdem würde man Arbeitszeitwünschen individuell durchaus nachkommen.
Verhandlungen gehen Anfang nächster Woche weiter
Die Kollektivvertragsverhandlungen für den privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich wurden am späten Montagabend erneut ergebnislos unterbrochen. Nach insgesamt 38 Verhandlungsstunden gab es auch in der sechsten Runde zwischen Sozialwirtschaft und den Gewerkschaften keine Einigung.
Die Betriebsratsvorsitzende der Lebenshilfe zeigte sich hinsichtlich der siebenten Verhandlungsrunde positiv: „Obwohl ich für Montag sehr zuversichtlich bin, haben wir uns schon vorbereitet. Wir werden sehen, ob weitere Streiks notwendig sind.“ So sind etwa Protestmärsche in Wien, Linz und Graz geplant, sagte Föger-Kalchschmied gegenüber ORF Tirol.
In Tirol arbeiten rund 11.000 Beschäftigte in privaten Pflege- und Sozialeinrichtungen – die größten Betriebe sind die Lebenshilfe und die Innsbrucker Sozialen Dienste.