Vor einigen Wochen landeten die ersten Nachzahlungsforderungen in den Briefkästen in Fließ. Einheimische, die im Jahr 2018 günstigen Baugrund von der Gemeinde gekauft hatten, wurden vom Bund aufgefordert, höhere Gebühren für die Eintragung ins Grundbuch nachzuzahlen. Berechnet wurden diese nicht vom tatsächlichen Kaufpreis, sondern vom dreimal höheren, geschätzten Marktpreis.
Drei Grundstücksbesitzer meldeten sich bisher bei der Gemeinde, betroffen sind aber gut 40, schätzte Bürgermeister Hans-Peter Bock. Er zeigte sich verärgert über die Nachzahlungen, es sei unfair, Geld im Nachhinein kleinweise zurückzuholen. Fließ bemühe sich seit Jahren, mit günstigen Grundstücken das Wohnen leistbarer zu machen. Das würden auch Bund und Land immer wieder fordern, so Bock. Für ihn ist es ungerecht, dass sich der Bund über eine neue Bemessungsgrundlage Geld holt.
Bund kritisiert günstige Preise
Auch die Formulierung regte in der Gemeinde auf. In der Zahlungsforderung an die Grundstücksbesitzer hieß es: „Der im Anlassfall offen gelegte Kaufpreis […] orientiert sich offenkundig nicht am Preis, der im gewöhnlichen und redlichen Geschäftsverkehr üblicherweise zu erzielen ist“.
Er sei seit 40 Jahren im Gemeinderat und seit 22 Jahren Bürgermeister, aber so etwas habe er noch nicht erlebt, ärgerte sich Bürgermeister Hans-Peter Bock. Die Gemeinden seien immer als ehrlich gesehen worden. Die Kaufpreise seien berechtigt und nicht geschönt, es ärgere ihn, das die Gemeinden mit solchen Briefen fast bezichtigt würden, nicht saubere Geschäfte zu machen.
Schätzungen des Bundes an Realität vorbei
Eine Gesetzesänderung führte dazu, dass der Bund seit März 2018 die Eintragungsgebühr ins Grundbuch nicht mehr vom bezahlten Kaufpreis, sondern vom geschätzten Marktpreis berechnet. Dass das aber wenig mit der Realität zu tun hat, zeigte ein Beispiel in Piller, einem Ortsteil von Fließ. 60 Euro pro Quadratmeter verlangte die Gemeinde dafür, in seiner Berechnung ging der Bund von 161,50 Euro pro Quadratmeter aus.
Das zeige deutlich, dass Wien das Grundstück nicht kenne, so Bock. Es sei sehr felsig und etwa zehn Kilometer vom Ortszentrum in Fließ entfernt. Er kenne niemanden, der dafür 161,50 Euro bezahlen würde, 60 Euro seien dafür mehr als genug, so Bock.
Land Tirol sieht Missstände
Auch vom Land Tirol hieß es, diese Vorgehensweise sei unverständlich und nicht hilfreich. Gerade in Tirol gebe es großen Bedarf an leistbaren Grundstücken. Wenn eine Gemeinde wie Fließ dafür aktiv eintrete, sei das zu begrüßen. Der Bund sei aufgefordert, diese Missstände zu beseitigen, erklärte Landesrat Johannes Tratter (ÖVP) in einer Stellungnahme.
Weitere Nachzahlungen möglich
Vorerst ging es bei den Nachzahlungen um ein paar hundert Euro pro Käufer. Es könnte aber weitere Nachzahlungen geben, fürchtete der Bürgermeister, und die könnten deutlich teurer werden. Denn nach der Eintragung ins Grundbuch könnte beispielsweise auch die Grunderwerbssteuer von derselben Bemessungsgrundlage, also dem geschätzten Marktwert, berechnet werden. Die sei mit 3,5 Prozent bereits dreimal so hoch wie die Eintragung ins Grundbuch (1,1 Prozent).
Für die Gemeinden als Verkäufer könnte auch die Immobilien-Ertragssteuer steigen, befürchtete Bock. Damit sei es schwerer zu kalkulieren und schwerer möglich, leistbares Wohnen zu ermöglichen.
Grundstückskäufe ab März 2018 betroffen
Ob mit weiteren Nachzahlungen zu rechnen sei, konnte aktuell niemand beantworten. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte auf Nachfrage, er könne nur Auskunft zu bereits abgeschlossenen Fällen geben. Die Gemeinde Fließ will aber gegen die Nachzahlungen ankämpfen und die betroffenen Grundstückskäuferinnen und -käufer bei Einsprüchen unterstützen. Durch die Gesetzesänderung könnten auch zahlreiche weitere Käufer von den Nachzahlungen betroffen sein. Einen ähnlichen Fall soll es bereits im Paznauntal geben.