Freilandbeef Schnitzel schneiden
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Wirtschaft

Bauern fordern vom Handel „Green Deal“

Bauernbund und Landwirtschaftskammer verlangen vom Handel ein Umdenken. Heimischem Gemüse oder Fleisch soll der Vorzug gegeben, Preisschlachten um Waren aus dem oft fernen Ausland gestoppt werden. Der Handel soll sich dem „Green Deal“ anschließen.

Der Bauernbund samt allen neun Länderorganisationen fand am Donnerstag scharfe Worte Richtung Handel. „Nimmt der Handel Klimaschutz ernst, muss er österreichischen Lebensmitteln mehr Wertschätzung beimessen. Es ist nicht zu erklären, dass Handelsketten Kartoffel aus Ägypten, Fleisch aus Südamerika, Neuseeland oder gar Afrika, oder Gemüse aus Fernost Vorrang geben und mit unfairen und unmoralischen Preisschlachten dann noch den Strukturwandel in der heimischen Landwirtschaft befeuern“, hieß es in einer Aussendung des Österreichischen Bauernbundes. Die Tiroler Landwirtschaftskammer schloss sich dieser Einschätzung an.

Bio, Gemüse, Obst
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Heimisches Gemüse soll zu denselben Bedingungen angeboten werden, wie ausländisches.

Preisschlachten schädigen Klima, Bauern und Verarbeiter

Der Internationale Lebensmittel-Nachhaltigkeits-Index reiht insgesamt 67 Länder aus der ganzen Welt gemäß ihrer Nachhaltigkeit des Lebensmittelsystems, argumentieren Bauernbundobmann LHstv. Josef Geisler (ÖVP) und Bauernbunddirektor Peter Raggl. Österreichs Landwirtschaft belege demnach den ersten Platz.

„Wir produzieren hier in Tirol die weltweit hochwertigsten, sichersten und nachhaltigsten Lebensmittel, die bei Einheimischen wie Gästen gleichermaßen beliebt sind und trotzdem wird unser Essen immer wieder von Handelsketten zu Dumpingpreisen verschleudert. Diese Preisschlachten killen Klima, Bauern und Verarbeiter“, so die Bauernvertreter. Dazu weise Österreich laut Eurostat EU-weit die viertniedrigsten Ausgaben für Lebensmittel auf.

Der europäische „Green Deal“

Die EU-Kommission will mit dem „Europäischen Green Deal“ Europa in den kommenden Jahren sauberer, nachhaltiger und grüner machen. Das bedeute auch für die Landwirtschaft, dass neue Maßnahmen zum Schutz des Klimas eingeführt werden, wie etwa die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und insgesamt weniger CO2-Ausstoß. Investitionen und höhere Auflagen sind die Konsequenz. Diese Politik müsse auch der Handel mittragen, denn diese Zielsetzungen würden den Bauern viel Geld kosten.

05.10.19 Gute Erdäpfel-Ernte im Lungau
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Kartoffel aus Tirol sind CO2-neutraler als jene aus Ägypten.

Preisgestaltung überdenken

„Während es vor einiger Zeit hauptsächlich Bäuerinnen und Bauern waren, die die Zusammenhänge hinter solchen Angeboten schnell analysiert und Produktionsbedingungen, Tierwohlstandards, Transport und Herkunft hinterfragt haben, so sind es mittlerweile sehr viele Konsumenten, die genau wissen wollen, woher ihr Essen kommt“, meinte Bauernbunddirektor Peter Raggl.

„Wir lassen die Bauernfamilien mit den Herausforderungen sicher nicht alleine. Ich verlasse mich auch auf unsere Handelspartner und fordere ein Entgegenkommen. Eine angemessene monetäre Abgeltung für österreichische Qualitätsprodukte ist höchst an der Zeit“, forderte Bauernbundobmann Josef Geisler die Lebensmitteleinzelhändler auf, bei der Preisgestaltung rasch umzudenken.

Ombudsstelle für Bauern und Herkunftsbezeichnungen geplant

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) erklärte, sie rechne damit, dass die von der Bundesregierung angekündigte Bauern-Ombudsstelle und die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel in den nächsten Monaten auf den Weg gebracht werden. Die Mediations- und Schlichtungsstelle werde „noch vor dem Sommer operativ tätig“, sagte Köstinger im APA-Interview.

Niedrige Erzeugerpreise sind bei Bauern in Österreich seit längerem ein Aufregerthema. Die Landwirtschaftsministerin ortet „eine extreme Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel“ und einen „Missbrauch von Marktmacht“. Die Supermarktketten haben stets den Vorwurf von unfairen Geschäftspraktiken zurückgewiesen. Köstinger hatte bereits im November 2018 die Ombudsstelle angekündigt, das Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung im Mai 2019 brachte das Vorhaben aber zum Erliegen. Wo die unabhängige und weisungsfreie Stelle angesiedelt sein wird, will die Landwirtschaftsministerin „ehestmöglich“ mit dem Wirtschaftsministerium und der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) klären.

Mehr Übersicht für Konsumentinnen und Konsumenten

Bei der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung von Primärzutaten in Fleisch-, Milch- und Eiprodukten sowie in Großküchen und öffentlichen Einrichtungen wird die türkis-grüne Regierung laut Köstinger „in den nächsten Monaten“ einen Vorschlag liefern. Für das Gesetzesvorhaben zuständig ist Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Die Bürokratie-Bedenken der Lebensmittelhersteller lässt die Landwirtschaftsministerin nicht gelten. „Die Beispiele in Frankreich und Italien haben gezeigt, dass es zum Vorteil der Landwirte und Lebensmittelindustrie war.“

Ab April muss im Rahmen EU-Lebensmittelinformationsverordnung bereits bei einigen Produkten die Herkunft der Primärzutat angeben werden. Die Regelung sieht vor, dass bei freiwilliger Angabe des Ursprunglandes (etwa „aus Österreich“) das Land der primären Zutat anzugeben ist, wenn es nicht mit dem des Lebensmittels identisch ist. Beispielsweise bei einer Wurst mit Auslobung „aus Österreich“, die mit Schweinefleisch aus Slowenien erzeugt wurde, muss die Herkunft des Fleisches zusätzlich angegeben werden