Wer mit 30, 40 oder sogar 50 Jahren noch eine Lehre beginnt, ist entweder hochmotoviert oder der Leidensdruck ist extrem hoch. Mit Hilfe von Stiftungen wie der Arbeitsmarktgesellschaft des Landes und Geldern des Arbeitsmarktservice (AMS) können auch Erwachsene mit einer Lehre beginnen.
Gesundheitliche Gründe zwingen zum neuen Beruf
Der 53-jährige Oberösterreicher Wolfgang Schmid arbeitete jahrelang als Radiologie-Techniker in einem Krankenhaus. Mehrere Bandscheibenvorfälle machten es ihm unmöglich, seinen Beruf weiter auszuüben. Nach längerem Suchen entschied er sich für eine Lehre zum Augenoptiker. Weil die einzige Fachberufsschule für Optiker in Hall ist, übersiedelte er für seine Lehre nach Tirol.
„Mein medizinisches Vorwissen aus der Radiologie kommt mir entgegen, dazu kommen jetzt Handwerk und der Kontakt mit den Kunden,“ beschreibt Schmid seinen Neustart als angehender Augenoptiker. Dass andere Berufsschülerinnen – und Schüler deutlich jünger sind als er, stört ihn nicht. „Im Geschäft gibt es manchmal lustige Situationen, weil mich als den Älteren viele für den Chef halten,“ lacht er.
Nach der Gastronomie in die Tischlerei
Einen anderen Lebensweg fand die 37-jährige Isolde Schrefle aus Innsbruck. Nach der Matura hatte sie erst einmal keine Lust mehr auf Schule oder Studium. Ohne Ausbildung arbeitete sie in der Gastronomie, weil sie gutes Geld verdienen wollte. Irgendwann wurde ihr aber klar, dass ihr Traumberuf ein anderer ist. Sie erinnerte sich an ihre schon seit Kindertagen bestehende Liebe zu Handwerk und Holz und entschloss sich für eine Lehre als Tischlerin.
Der Anfang war allerdings schwierig, 18 Betriebe schrieb sie an, bis ein kleiner Tischlereibetrieb in Gnadenwald sie schließlich als Lehrling einstellte. „Man wollte mir nicht glauben, dass ich meine Familienplanung abgeschlossen habe und fürchtete, ich könnte gleich nach der Lehre schwanger werden,“ beschreibt sie den Grund für die vielen Absagen. In ihrem künftigen Beruf will sie nun alt werden, ist sie sich sicher.
Hoch motiviert und zielstrebig
„Wenn jemand mit über 30 noch eine Lehre macht, will er oder sie den Abschluss unbedingt,“ sagte der Lehrlingsbeauftrage des Landes, Roland Teissl im Gespräch mit dem ORF Tirol. Ältere Lehrlinge bringen aus ihren früheren Tätigkeiten viel Lebenserfahrung mit. Sie sind hochmotiviert, haben ihr Ziel klar vor Augen und sind bereit, dafür Leistung zu bringen, so Teissl. „Für die Unternehmerinnen und Unternehmer sind ältere Lehrlinge durchaus ein Glücksfall.“
Der Gesetzgeber hilft dem Glück allerdings ein bisschen nach. Erwachsene, die eine Lehre beginnen sind für die Unternehmen recht günstig, weil sie gefördert werden. Es gibt verschiedene Modelle für den späten Einstieg in eine Lehre. Weil der Lehrstellenmarkt in Tirol derzeit deutlich mehr offene Stellen bietet als nachgefragt werden und in allen Branchen Fachkräfte gesucht werden, haben die Älteren nach dem Lehrabschluss auch gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dabei nehmen sie den Jugendlichen auch keine Lehrstellen weg, ist der Lehrlingsbeauftragte des Landes überzeugt.
Tag der Lehre in der Innsbrucker Messe
Über die vielseitigen Möglichkeiten eines Lehrberufes informieren Land Tirol, Bildungsdirektion, Wirtschaftskammer, AK, Arbeitsmarktservice und Industriellenvereinigung am Donnerstag in der Messe Innsbruck. Ausbilder, Lehrbetriebe und die Tiroler Fachberufsschulen stellen sich vor und bieten jede Menge Wissenswertes rund um die Lehre. Beginn ist um 9.30 Uhr.