Altartafeln von Simon Franck
Sotheby’s
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Kultur

Kunstwerke aus Tirol unter dem Hammer

Zwei Tafelbilder eines alten Meisters aus dem Besitz einer Tiroler Sammlerin sind beim Auktionshaus Sotheby’s in London um umgerechnet rund 860.000 Euro versteigert worden. Andrea Jungmann, die Chefin von Sotheby’s Österreich, Ungarn und Polen ist immer wieder auf „Einkaufstour“ in Tirol.

Nicht nur in New York, London oder Paris tauchen gute Kunstwerke auf Dachböden oder in Kellern auf. Auch in Tirol werden Experten fündig. So wurde Sotheby’s in Innsbruck zwei großformatige Tafelbilder eines Flügelaltars aus der Zeit der Renaissance angeboten. Die prächtigen Ölgemälde stammen von Simon Franck, einem Schüler von Lukas Cranach dem Älteren und werden um 1520 datiert.

Andrea Jungmann, Chefin von Sotheby’s Österreich
ORF
Andrea Jungmann, die Leiterin von Sotheby´s Österreich bei einer Charity Auktion in Innsbruck

Qualität hat ihren Preis

Bei der Versteigerung in London erzielten die beiden Altarflügelbilder im Dezember 2019 einen Preis von umgerechnet rund 860.000 Euro. Für dieses Ergebnis seien mehrere Kriterien ausschlaggebend gewesen, sagt Andrea Jungmann: „Simon Franck ist ein guter Schüler von Lukas Cranach, den kennt man, es gibt auch weniger gute Schüler. Die großformatigen Tafelbilder sind in sehr gutem Zustand, die Gesichter sind fein ziseliert, die Farben strahlen. Außerdem ist die Darstellung mit den beiden Heiligen ein leichtes Thema und das verkauft sich besser als zum Beispiel eine Kreuzigung.“ Dargestellt sind rechts der Heilige Achatius in Ritterrüstung umgeben von adeligem Gefolge und links die Heilige Ursula mit den Jungfrauen.

Altartafeln von Simon Franck
Sotheby’s
Zwei Flügelbilder eines Altars von Meister Simon Franck sind in Innsbruck aufgetaucht. Der Mittelteil des Altars ist verschollen.

Tea-time mit Kunstgenuss

In Tirol gibt es zahlreiche Sammlerinnen und Sammler, die allerdings verständlicherweise anonym bleiben wollen. Die studierte Kunsthistorikerin Andrea Jungmann leitet die Dependance von Sotheby’s in Wien seit 20 Jahren. Sie war schon in einigen Wohnzimmern zum Tee eingeladen.

Manchmal sei nichts dabei, doch dann bleibe einem auch vor Staunen der Mund offen, erzählt Jungmann: „Ich leide unter der typischen Auktionshauskrankheit. Ich kann nicht ruhig sitzen und mich auf den Tee konzentrieren, sondern ich muss immer rundherum schauen und taxieren. Es kann schon passieren, dass man in eine Villa kommt und sehr überraschend mit wunderbaren Werken konfrontiert wird, auch in Tirol.“

Egger-Lienz, Walde & Co

Die Fixstarter aus Tirol sind immer noch die Kapazunder Albin Egger-Lienz oder Alfons Walde. Mindestens einmal im Monat werden Jungmann auch Fälschungen angeboten, da gilt es auf der Hut zu sein. Vor allem Werke von großen Namen wie Peter Paul Rubens, Pablo Picasso oder Alexej von Jawlensky stehen ganz oben auf der Hitliste der Fälscher und Sotheby’s ist eine beliebte Anlaufstelle. Die Provenienz ist ein wichtiges Kriterium für die Feststellung der Echtheit der Werke.

Für Expertisen werden unabhängige Kunsthistoriker von außen herangezogen. „Häufig kommen auch Besitzer ganz unabsichtlich mit Fälschungen. Das sind dann Bilder, die seit Jahrzehnten zu Hause über dem Sofa hängen, vom Urgroßvater geerbt und angeblich von einem großen Meister gemalt. Die Erkenntnis, dass es sich um Fälschungen handelt, kann zu herben Enttäuschungen führen.“

Auktion bei Sotheby´s in London im Jahr 2002, Versteigerung von Rubens „Das Massaker von Bethlehem“
Sotheby´s
Das Gemälde „Das Massaker von Bethlehem“ von Peter Paul Rubens wurde 2002 bei Sotheby’s in London versteigert

Spektakurläres Ergebnis

Es gibt auch Geschichten, die ganz anders verlaufen. Ein Höhepunkt in der Karriere der Kunsthistorikerin war der Verkauf des Gemäldes „Das Massaker von Bethlehem“ von Peter Paul Rubens im Jahr 2002. Das in Wien angebotene Werk erzielte in London den Preis von damals umgerechnet 77 Millionen Euro.

Ursprünglich sei gar nicht klar gewesen, dass es sich um einen echten Rubens handelt, erzählt Jungmann: „Das Gemälde hat einer alten Dame aus Wien gehört. Die Darstellung mit vielen toten Kindern und verzweifelt schreienden Frauen ist so schrecklich, dass die Besitzerin es lange einem Kloster geliehen hat. Ein Neffe hat das Gemälde dann Sotheby’s angeboten, allerdings noch im Glauben, es sei das Werk eines Schülers von Rubens. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen mit Röntgenaufnahmen und Pigmentanalysen war klar, dass es kein Schüler gemalt hat, sondern dass es sich um einen echten Rubens handelt.“

Die „Rubens-Oma“ bleibt geheim

Der ursprüngliche Schätzwert von 200.000 britischen Pfund stieg dadurch erst einmal auf drei Millionen Pfund. “Das war eine der aufregendsten Auktionen, die ich je miterlebt habe“, erinnert sich Jungmann, „das Bietgefecht hat über zehn Minuten gedauert. Der Hammer ist dann bei 45 Millionen Pfund gefallen, mit dem Aufgeld waren es 49,5 Millionen. Das ist auch heute noch eines der teuersten Werke eines Alten Meisters, das je bei einer Auktion verkauft worden ist.“ Die Identität der österreichischen Verkäuferin wird bis heute geschützt, auch wenn die Kronenzeitung damals versucht hat, das Geheimnis um die „Rubens-Oma“ zu lüften.

Astrid Rausch
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Die üppige und geheimnisvolle Malerei von Astrid Rausch

Junge Kunst als Aktie?

In Wien wird bei Sotheby’s nicht versteigert, die Aufgabe von Jungmann ist es, Kunst zu akquirieren und nach London oder New York zu internationalen Auktionen zu bringen. Ihr Interesse gilt auch zeitgenössischer Kunst, die sie im Wiener Palais Wilczek ausstellt. Bei ihrem Besuch in Innsbruck ist ihr die junge Tiroler Malerin Astrid Rausch aufgefallen. „Das ist eine Malerin, die das Malen noch richtig im Blut hat und mit Ölfarben aus dem Vollen schöpft. Rausch malt mystische Bilder, die nicht einfach zu deuten sind, aber gerade das finde ich spannend.“

Kunstwerk von Nora Schöpfer
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Die Tiroler Künstlerin Nora Schöpfer arbeitet mit unterschiedlichen Medien

Mit der Kunst leben

Auch die Arbeiten der Tiroler Künstlerin Nora Schöpfer verfolgt Jungmann schon länger. Auf die Frage, ob man mit Kunst wie mit Aktien spekulieren könne, meint die Marktexpertin, man solle nur Werke kaufen, die einem auch gefallen und mit denen man leben möchte. „Junge Kunst ist nicht so teuer. Wenn einem ein Werk gefällt, ist es ein Investment, weil man sich jeden Tag daran freut. Bevor man einen gerahmten Druck kauft, sollte man lieber ein Original von einem jungen Künstler kaufen“, meint Jungmann.