Silhouette einer Frau
ORF.at/Christian Öser
ORF.at/Christian Öser
Soziales

Klinik Innsbruck setzt Zeichen gegen Gewalt

Jede vierte Patientin, jeder vierte Patient der Klinik Innsbruck ist von chronischer Gewalt betroffen. Das zeigte eine über zwei Jahre durchgeführte Studie. Mit Schulungen und einem neuen Aufnahme-Verfahren will die Klinik Innsbruck sensibler mit Gewalt umgehen.

Weiß jemand, dass Sie hier sind? Soll jemand nicht wissen, dass Sie hier sind? Und: Gibt es jemanden, der Ihnen Unbehagen bereitet oder Angst macht? Diese Fragen werden seit April bei der Inneren Notaufnahme der Klinik Innsbruck gestellt. Damit sollen von Gewalt betroffene Personen die Möglichkeit bekommen, sich zu äußern, erklärte Thomas Beck, Psychologe und Leiter der Opferschutzgruppe der Klinik Innsbruck.

Direkt zu fragen, ob die Patientin oder der Patient von Gewalt betroffen sei, bringe oft wenig. Für viele sei die Gewalt normal, und sie würden den Alltag nicht anders kennen. Dazu komme die Scham, die viele dazu bringt, die Gewalt lieber zu verstecken, so Beck.

16 Tage gegen Gewalt

Zwischen dem 25.11. und dem 10.12. wird weltweit ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen gesetzt. Der Schwerpunkt liegt heuer auf Krankenhäusern und deren Opferschutzgruppen.

Schulungen sollen Mitarbeitern helfen

Für einen sensibleren Umgang sollen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik geschult werden. 900 haben diese Schulung bereits absolviert. Dabei geht es vor allem darum, genau hinzuschauen und mögliche Betroffene zu erkennen. Der nächste Schritt sei dann, die natürliche Schutzbarriere des Patienten abzubauen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich im Vertrauen zu öffnen, berichtete Alexandra Kofler, die ärztliche Direktorin der Klinik Innsbruck.

Andrea Hohenegger, Thomas Beck, Alexandra Kofler
ORF
Andrea Hohenegger, Thomas Beck und Alexandra Kofler stellten das Programm der Klinik am Freitag vor

Bei den Schulungen hätten sie gelernt, wie man nachfragen kann, berichtete Andrea Hohenegger. Als ein Eisbrecher habe sich etwa die Frage erwiesen, ob sich die Person zuhause unsicher fühle, so Hohenegger. Gleichzeitig sei es auch ein wichtiger Lernprozess gewesen, zu erkennen, dass man nicht allen sofort helfen könne. Sich von Gewalt zu befreien sei ein langwieriger Prozess, in erster Linie gehe es deshalb darum, den Betroffenen zu zeigen, dass Gewalt nicht in Ordnung ist, und dass sie Hilfe finden, wenn sie dafür bereit sind.

Erste Erfolge durch neue Routinefragen

Männer seien von Gewalt gleich betroffen wie Frauen, nur seien es oft andere Formen von Gewalt, berichtete Psychologe Thomas Beck. Bei Männern handle es sich oft um verbale oder sexualisierte Gewalt. Mit den neuen Aufnahmefragen hätten sich innerhalb von 20 Wochen bereits 15 Patienten gemeldet, die von Gewalt betroffen waren. Ziel des Programmes sei es, die Sensibilität bei den Mitarbeitern zu stärken und so bewusster und sensibler Hilfe anzubieten.

Gewaltschutzzentrum mit eingebunden

Dabei gehe es oft auch um Details, etwa wie man die Begleiter der betroffenen Person „weglocken“ kann, um ein vertrauensvolles Gespräch zu ermöglichen, waren sich die Experten einig. In weiterer Folge wurde eine Kooperation mit dem Gewaltschutzzentrum gestartet. Damit sollen Betroffene bereits während des Klinikaufenthaltes betreut werden und so Vertrauen und eine nachhaltige Gesprächsbasis für die Zeit nach der Klinik aufgebaut werden.

Denn an der Klinik selbst „können wir nur ein Pflaster auf die Wunde kleben“, erklärte Alexandra Kofler. Wenn die Patientin oder der Patient zurück nachhause in seinen Alltag kommt, beginne die eigentliche Arbeit erst.