Seit Jahrhunderten nutzen Menschen Mörtel und Putz beim Bauen von Gebäuden. Diese Baustoffe bestehen aus Bindemitteln, Sand oder Kies sowie Wasser und festigen sich kurz nachdem sie vermischt wurden. Obwohl sie hart wie Stein sind, können Witterungs- und Umwelteinflüsse die Materialien mit der Zeit schädigen und instabil werden lassen.
Wie diese Schäden aussehen, zeigt sich in der Innsbrucker Altstadt an dem mit barockem Stuck verzierten Helblinghaus. Die Fassade bröckelt und musste gesichert werden, da durch möglicherweise herabfallende Teile Gefahr im Verzug war.
Verfall als Forschungsgegenstand
Anja Diekamp vom Arbeitsbereich für Materialtechnologie der Universität Innsbruck untersucht nun, welche chemischen Reaktionen im Inneren des verwendeten Stuckmörtels zu dessen Zerstörung führen. Sie ist auf historische Baustoffe spezialisiert. „Wir versuchen grundlagenwissenschaftlich Materialien aus den vergangenen Jahrhunderten zu charakterisieren, Probleme zu ermitteln und Lösungen zu finden“, so Diekamp.

Eindringendes Salz lässt Baumaterial brüchig werden
Das Gestein Dolomit ist in Norditalien und Westösterreich ein verbreiteter Werkstoff. In welchem Umfang auch für die Fassade des Helblinghauses Dolomitkalk verwendet worden ist, sollen die Untersuchungen der Innsbrucker Materialtechnologen zeigen. „Baustoffe aus Dolomit zeigen eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Umweltverschmutzung, wie etwa Sulfatbelastung. Die hat es in Tirol durch den Bergbau im Unterinntal bereits im Mittelalter gegeben“, so Diekamp: „Zusammen mit eindringender Feuchtigkeit können sich im Inneren der Baustoffe schädigende Magnesiumsulfatsalze bilden.“

Mineralogische und strukturelle Untersuchungen zeigen, dass diese Salze ihr Volumen in Abhängigkeit vom Klima ändern. Durch Ausdehnen lockern sie die feste Struktur des Baumaterials, lassen es brüchig werden und können zu Abplatzungen von Oberflächen wie z. B. bei wertvollen Wandmalereien führen. Diese speziellen Salze können sich auch bei der gemeinsamen Verwendung von Dolomitkalk und Gips – oft Bestandteil von Stuck – bilden. Im Falle des Stucks am Helblinghaus deuten die ersten Untersuchungen auch auf dieses zerstörerische Duo hin.
Frühere Sanierung gefährdet Malereien an Gebäude
Durch eine frühere Sanierung ist das Trautsonhaus in der Innsbrucker Altstadt in Gefahr. Da zu dichte Materialien eingesetzt wurden, konnte die Feuchtigkeit nicht aus dem Mauerwerk entweichen und kriecht jetzt nach oben. Jetzt müssen Wandmalereien aus der Renaissance-Zeit vor Beschädigung geschützt werden. „Die Kristallisation von Salz kann dazu führen, dass sich jene Schichten ablösen, die die Malereien tragen. Wird dieser Prozess nicht unterbunden, kann der historische Bestand schwer beschädigt werden“, so Diekamp.

Die Expertin der Universität entwickelte mit ihrer Arbeitsgruppe einen speziellen Sanierungsputz. Er leitet Feuchtigkeit und Salze aus dem Mauerwerk nach außen und wurde im Bereich der Laubengänge des Trautsonhauses aufgebracht. So kann das weitere Aufsteigen der Feuchtigkeit bis zu den Wandmalereien verhindert werden.
Feuchtigkeit und Salze werden nach außen geleitet
Dieser Spezialbaustoff entstand im Rahmen von Diekamps Forschungsschwerpunkt. In Zusammenarbeit mit Partnern aus den Bereichen Bauwirtschaft und Restaurierung werden mit dem Wissen über historische Mörtel und Putze moderne, alltagstaugliche Materialien entwickelt.
Bei dem neu entwickelten Sanierungsputz für das Trautsonhaus handelt es sich um ein Material, das einerseits eine hohe Festigkeit aufweist und damit langlebig ist und andererseits ein ausreichend großes Porenraumvolumen hat, um Feuchtigkeit und Salze zuverlässig nach außen zu leiten.

Grundlage für Erhalt alter Gebäude
Wichtig für den Erhalt von Gebäuden ist ein grundlegendes Verständnis der verarbeiteten Materialien und möglicher Schadensprozesse im Kontakt mit der Umwelt. Dieses Wissen ist Grundlage für die fachliche Unterstützung bei nachhaltigen Restaurierungen und für die Entwicklung präventiver Konservierungskonzepte.