Stau am Südring in Innsbruck
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Verkehr

Verkehrslösungen neu denken

Die Mittelgebirgsgemeinde Aldrans will eine Umfahrung, weil der Verkehr durch das Ortszentrum immer stärker wird. Innsbruck braucht einen neuen Parkplatz für die Touristenbusse und will dafür das Gelände der Hofgartengärtnerei verwenden. Nach neuen innovativen Lösungen sieht das nicht aus, sagen Verkehrsforscher.

Der Verkehr in Tirol wächst offenbar unaufhaltsam. Nach Angaben der ASFINAG wird der Transitverkehr durch Tirol auch im kommenden Jahr weiter ansteigen. Auch der Durchzugsverkehr in kleineren Gemeinden nimmt zu. Gründe sind unter anderem eine zunehmende Zersiedelung und die hohen Ansprüche für eine praktisch ungehinderte Mobilität für jeden Einzelnen.

Aldrans will eine Umfahrung

Aldrans im Speckgürtel von Innsbruck war in den vergangenen Jahren eine der am stärksten wachsenden Gemeinden in Tirol. 15.000 Fahrzeuge fahren laut einer Verkehrsstudie täglich durchs Ortszentrum. Etwa 3.500 davon sind hausgemacht, sagt Bürgermeister Johannes Strobl. Der Rest sind Durchfahrten aus der Region. Aldrans ist das Nadelöhr aus den Umlandgemeinden für viele, die nach Innsbruck zum Arbeiten fahren, die meisten mit dem eigenen Pkw. Am Montag entschied der Gemeinderat im Beisein vieler Anrainer einstimmig, dass eine Umfahrung gebaut werden soll. Das Land wurde beauftragt, die beste Variante zu finden. Möglicherweise betroffene Anrainer kündigten noch während der Gemeinderatssitzung Proteste an.

Ortsansicht Aldrans mit Blick auf das Bettelwurfmassiv
Svickova
Aldrans sieht sich mit wachsendem Durchzugsverkehr konfrontiert und will eine Umfahrung.

Den Verkehrsforscher Markus Mailer vom Institut für intelligente Verkehrssysteme an der Universität Innsbruck wundert es nicht, dass bei zunehmendem Verkehr auch in Zeiten des Klimawandels, der Bodenknappheit und der Versiegelung von Grünland immer noch der Ruf nach einer neuer Straße laut wird. „Früher brachten die Verkehrswege die Menschen in die Orte. Heute sind sie mehr dazu da, sie durch die Orte durchzubringen an ein ganz anderes Ziel,“ sagte er im ORF Interview. Dabei ist der Mensch unglaublich bequem. Das macht es für den Öffentlichen Verkehr so schwer. Solange das Auto direkt beim Haus und vor der Arbeit geparkt werden kann, ist die nächste Bushaltestelle immer weit genug entfernt.

Straßenbahn in Innsbruck
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Das Öffentliche Verkehrsnetz ist in Innsbruck gut ausgebaut, in ländlichen Gemeinden gibt es nach Meinung vieler noch Aufholbedarf

Öffentlicher Verkehr hat´s schwer

In Aldrans betonte der Bürgermeister, dass laut Gemeinderatsbeschluss vom Montag natürlich auch der Öffentliche Verkehr ausgebaut werden soll. Die Verkehrsstudie, die die Gemeinde in Auftrag gegeben hat, brachte allerdings ernüchternde Zahlen. „Wenn wir den Öffentlichen Verkehr verdoppeln würden – was so gut wie unmöglich ist – wären das im Jahr rund 1.500 Fahrten weniger. Dann hätten wir trotzdem noch ein Problem mit den Pkw durch den Ort.“ Dennoch werde neben den Umfahrungsplänen auch an Konzepten für die Öffentlichen Verkehrsmittel und dem Ausbau des Radwegenetzes gearbeitet.

Verkehrsforscher Markus Mailer betonte, dass es ja nicht darum gehe, den Verkehr in den Orten zu hundert Prozent zu vermeiden. Eine Verringerung von 20 bis 30 Prozent bringe schon viel und entflechte Problemzeiten mit Staus zum Teil beträchtlich, sagte er. Bei Umfahrungen habe sich allerdings gezeigt, dass sie in wenigen Jahren wieder innerhalb des Ortsgebietes liegen, weil ständig weiter gebaut wird. Dann braucht es sozusagen die Umfahrung von der Umfahrung. Außerdem könnte der Ausbau von Straßennetzen als Angebot für den Indiviadualverkehr auch noch mehr Fahrten verursachen, so Mailer.

Problem Parken in den Städten

Während kleinere Gemeinden zunehmend unter Durchzugsverkehr aus der eigenen Region leiden, haben Städte wie Innsbruck inzwischen schon ein ganz anderes Problem. Regelmäßig zu den Stoßzeiten steht in der Stadt ohnehin alles still. Aber das Hauptproblem wird der Parkplatz am Ziel. „Viele Autofahrer kurven lieber zehn Minuten auf der Suche nach einem Abstellplatz in der Stadt herum, als eine Minute länger zu Fuß zu gehen, " sinniert der Verkehrsexperte. Das widerspricht auch dem Freizeitverhalten. Denn am Wochenende powert man sich bei Berg- und Wandertouren oder auf dem Mountainbike dann gerne total aus. Dabei zeigen viele Studien, dass mehr Bewegung im Alltag gesünder wäre, als der Sportexzess an den freien Tagen.“

Gewächshaus in der Hofgarten Gärtnerei
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Die Glashäuser der Hofgartengärtnerei und der Gemeinschaftsgarten müssen einem Bus-Parkplatz weichen

Busparkplatz statt Gartenfläche

Besonders unverständlich mutet für viele der Plan an, auf dem Gelände der Hofgartengärtnerei einen neuen Busparkplatz zu bauen. Drei der vier Glashäuser müssen der neuen Parkfläche weichen, der Allgemein-Garten soll einen anderen Platz bekommen. Gibt es wirklich keine andere Alternative? Mal frech gefragt: Ist es für eine chinesische Reisegruppe unzumutbar, am Stadtrand aus dem Bus zu steigen und in die inzwischen für viele Millionen gut ausgebaute Innsbrucker Straßenbahn zu steigen, um ins Zentrum zu gelangen?

Verkehrsforscher Markus Mailer sieht das gelassen: „Viele der Touristen kommen aus Großstädten und sind das Nutzen von Öffentlichen Verkehrsmitteln ohnehin gewohnt. Ich denke, dass man den Gästen das durchaus zumuten könnte. Wenn man bedenkt, wie teuer Wohnraum in der Stadt ist und wie wenig Grünfläche zur Verfügung steht, ist es kaum nachvollziehbar, dass ein neuer großer Parkplatz mitten im Zentrum gebaut wird.“

Beispiel Salzburg: Aussteigen und Wegfahren

Die touristisch stark genutzte Stadt Salzburg hat sich für einen anderen Weg entschieden. Hier lassen die Busse die Gäste im Zentrum aussteigen und fahren dann an den Stadtrand, um dort zu parken. "Natürlich hat auch diese Variante einen großen Nachteil, denn sie bewirkt, dass Busse leer durch die Stadt fahren und verursacht außerdem mehr Fahrten. Allerdings nicht in den Stoßzeiten des Pendlerverkehrs, so dass Staus durch die Busse weniger befürchtet werden müssen. Da scheint das Öffi-Angebot für Touristen aber doch die bessere Lösung zu sein.

Das Ende der Mobilität

Jederzeit und möglichst schnell von einem Ort zum anderen zu kommen ist in der modernen Gesellschaft ein überaus hohes Gut. Es sieht derzeit so aus, als stehe die Mobilität noch über dem Schutz des Lebensraums und der Gesundheit. Eines zeigt sich allerdings in Tirol ganz deutlich an den Wochenenden, in Ferienzeiten, bei Baustellen, widrigen Witterungsverhältnissen, Stoßzeiten im Pendlerverkehr oder einem ganz normalen Tag: Wenn alle einzeln immer mobil sein wollen, hört sich Mobilität auf. Denn dann stehen alle.