Der noch unfertige Gedenkort
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Chronik

Gedenkort für NS-Opfer in Hall

Am Donnerstag ist am Krankenhausareal in Hall der Baustart für eine Gedenkstätte erfolgt. 360 Patienten – Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer – sind während der NS-Zeit für Euthanasieprogramme der Nazis von Hall nach Hartheim gebracht und ermordet worden. Die Opfer sollen unvergessen bleiben.

„Das Gedenken ist nur ein Aspekt“, erklärte Kuratorin Lisa Noggler-Gürtler, „wir wollen die ermordeten Menschen sichtbar machen, ihnen Namen geben und Informationen anbieten“.

Tötungsanstalt Schloss Hartheim

360 Patienten und Patientinnen sind während der Zeit des Nationalsozialismus aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Hall nach Hartheim bei Linz transportiert und dort ermordet worden. Sie waren Opfer des Euthanasieprogramms, bei dem die Nationalsozialisten tausende behinderte Menschen organisiert getötet haben. Auf dem Areal der Psychiatrie in Hall entsteht nun ein Gedenkort, der 2020 fertiggestellt sein soll.

Gedenken Hall
©Celia Di Pauli, Stefan Maier, Eric Sidoroff
Jede einzelne Stele steht für ein Opfer.

360 Metall-Stelen – 360 Namen – 360 Geschichten

Der Entwurf von Celia Di Pauli, Eric Sidoroff und Stefan Maier, der umgesetzt wird, sieht eine Fläche mit 360 Metall-Stelen vor, die mit den Daten der einzelnen Opfer versehen sind. Zudem werden auf einem Multimedia-Terminal ausgewählte Informationen und kurze Biografien, zum Teil analog, zum Teil digital zur Verfügung stehen. Auch eine App ist vorgesehen. Die Texte sind in leichter Sprache und in Brailleschrift verfasst.

Oliver Seifert, Lisa Noggler-Gürtler, Bernhard Tilg, Stefan Deflorian, Christian Haring
tirol kliniken/Schwamberger
v.l.: Historiker Oliver Seifert, Projektleiterin Lisa Noggler-Gürtler, LR Bernhard Tilg (ÖVP), Stefan Deflorian (tirol kliniken), Christian Haring (Krankenhaus Hall)

Opfer bekommen ihre Namen zurück

Oliver Seifert ist Historiker am Landeskrankenhaus Hall und arbeitet die Geschichte des Hauses und der Psychiatrie auf: „Ich habe seit vielen Jahren mit Angehörigen von ermordeten Patienten Kontakt und wir haben dieses Projekt auch als erstes den Angehörigen präsentiert. Für sie und andere Zielgruppen entsteht nun ein Ort zum Trauern, Gedenken und Informieren. In der NS-Zeit wollte man psychisch und geistig beeinträchtigte Menschen auslöschen, im wahrsten Sinne des Wortes. Um die Ermordeten vor dem endgültigen Vergessen zu bewahren, bekommen sie am Gedenkort nun ihre Namen zurück.“

„Wir müssen bedenken, dass das hier ein Krankenhaus ist und eine laufende Psychiatrie,“ ergänzte der ärztliche Direktor des LKH Hall, Christian Haring, „und genau darauf ausgerichtet entsteht der Gedenkort – kein Mahnmal. Das könnte überall stehen. Es entsteht ein Ort, der genau für uns, unsere Patienten und alle Angehörigen richtig ist“.

Systematisch durchgeführter Massenmord

Die NS-Euthanasie war der erste systematisch durchgeführte Massenmord im Nationalsozialismus. Menschen mit einer geistigen, psychischen oder körperlichen Beeinträchtigung wurden planmäßig ermordet. Verharmlosend wurde die Mordaktion als Euthanasie bezeichnet, was wörtlich so viel wie „guter Tod“ bedeutet. Mit einem guten Tod hatte dieser Krankenmord nichts zu tun. Insgesamt wurden aus dem damaligen Gau Tirol-Vorarlberg auf diese Weise nachweislich 707 Menschen abtransportiert und ermordet, davon 360 aus der Haller Anstalt.