Ob in der Schweiz, in Vorarlberg oder vor allem in Tirol – unverbauter Grund und Boden wird immer knapper. Wollte man dieser Entwicklung entgegensteuern, dürfte eigentlich schon jetzt kein Einfamilienhaus mehr gebaut werden, sagen Experten. Ebenso bräuchte es angesichts der bestehenden Reserven an unbebautem Bauland keine neuen Widmungen mehr. Dieses radikale Umdenken wird in der Schweiz derzeit mittels strenger Gesetze umgesetzt.
Volksentscheid führt zu Pradigmenwechsel
Im Jahr 2013 haben die Eidgenossen im Zuge einer Volksabstimmung mehrheitlich für eine Revision der Raumplanung gestimmt – mit dem Ziel, die fortschreitende Zersiedelung im Land zu stoppen. In Form einer strengen Rahmengesetzgebung gibt der Bund in der Schweiz nun die Marschrichtung vor. Die Kantone als zentrale Schaltstelle haben diese gemeinsam mit den Gemeinden umzusetzen, wobei letztere dadurch an Autonomie in Sachen Raumordnung eingebüßt haben.
Nach einem ausgeklügelten Berechnungsmodell, das für alle Schweizer Gemeinden gilt, wurde erhoben, welche Gemeinden zuviel oder zu wenig gewidmetes Bauland aufweisen. Im Kanton St. Gallen etwa müssen elf Gemeinden per Gesetz bereits gewidmetes Bauland wieder rückwidmen. In vielen anderen Gemeinden wiederum gibt es einen Widmungsstopp für Flächen am Ortsrand, sie müssen nach innen verdichten. Ein Prozess, der gerade läuft und natürlich nicht immer ohne Konflikte passiert, wie Ralph Etter, zuständig für Raumentwicklung im Kanton, bestätigt.
Gesetzliche Regelung nimmt Druck von Gemeinden
Bei allen Schwierigkeiten, die die Umsetzung dieser restriktiven Raumordnungspolitik in der Schweiz mit sich bringt, orten die Experten dort aber auch Vorteile. Dadurch, dass der Bund die Gesetze vorgibt und alle Gemeinden gleich behandelt werden, nimmt das auch Druck von den Bürgermeistern, die in der Schweiz Gemeindepräsidenten heißen. Waren sie in Sachen Flächenwidmungen früher laufend Begehrlichkeiten ausgesetzt, gibt ihnen das Gesetz jetzt einen deutlich engeren Rahmen vor. Dadurch seien sie aber auch gezwungen – und das ist beabsichtigt – dass sie in Sachen Raumordnung viel enger mit den umliegenden Gemeinden kooperieren, erklärt der zuständige Regierungsrat Marc Mächler gegenüber ORF.
In Österreich ist die Raumordnung laut Verfassung in erster Linie Gemeindesache. Die Länder geben im Raumordnungsgesetz zwar die Richtung vor und Überwachen die Einhaltung dieser Gesetze, für Raumordnungskonzepte und Bebauungspläne sind aber die Gemeinden verantwortlich. Tirol habe zwar im Bundesvergleich sehr strenge Raumordnungsgesetze, in Sachen Bodenverbrauch sei aber nach wie vor Luft nach oben, so der zuständige Landesrat Hannes Tratter (ÖVP). Er hat gemeinsam mit Raumordnungsexperten des Landes die Schweiz und Vorarlberg besucht.
Aktive Raumordnung immer wichtiger
Nachhaltige Raumordnung erfordert von den Gemeinden Weitblick und ständiges Handeln, sind sich die Schweizer Experten sicher. Wenn die Kommunen allerdings aktiv mitgestalten wollen, müssten sie auch selbst über Gründe und Immobilien Verfügung, so die Raumordnungsexperten in der Schweiz. Gemeindeeigene Gründe erleichtern zudem den Bau leistbarer Wohnungen, ergänzt Tratter. Verfügt eine Kommune über keine Gründe, verweist der Landesrat auf den Bodenfonds des Landes, der hier unterstützend einspringen kann.
Im benachbarten Vorarlberg macht das die Stadt Feldkirch vor. Seit 30 Jahren setzen die Verantwortlichen auf eine nachhaltige Stadtentwicklung. Als Großgrundbesitzer gelingt es der Stadt vor allem im Stadtkern zahlreiche Akzente zu setzen. So wurde die Innenstadt nicht nur Fußgängerzone, sondern zunehmend auch verdichtet. Am Bahnhofsareal entstehen derzeit fünf große Hochhäuser und noch in den kommenden Jahren soll die Innenstadt nahezu autofrei werden.
Bürgerbeteilung als Schlüssel zum Erfolg
Sämtliche bauliche Maßnahmen, aber auch die Entwicklung von Raumordnungskonzepten laufen in der Schweiz oder etwa in Feldkirch mit starker Bürgerbeteiligung. Dort können die Bürger nicht nur mitgestalten, sondern werden offensiv über laufende Entwicklungen informiert. Nur so sei es zu erklären, dass beim Hochhausbau mitten in Feldkirch kein einziger Einspruch eingereicht wurde, so Feldkirchs Stadtbaumeister Gabor Mödlagl.
Intensivere Bürgerbeteiligung sei durchaus auch für Tirol ein Thema, so Raumordnungslandesrat Tratter. Aber auch andere Aspekte, beispielsweise in Sachen Leerstandserhebung, habe er von dieser Exkursion mitgenommen. Ob diese auf Tirol umgelegt werden können, werde jedenfalls geprüft.