Landwirt vor Misthaufen
Johann Stöckl
Johann Stöckl
Landwirtschaft

Energie aus Pferdemist

Die Idee ist bestechend einfach: Ein kleiner Reit- und Ferienbetrieb in Brixen im Thale (Bezirk Kitzbühel) heizt sein Wasser mit Pferdemist. Und das ganz ohne Verbrennung. Möglich machen das Millionen von Mikroorganismen im Misthaufen.

Ganz so einfach, wie die Sache klingt, war es dann doch nicht. Johann Stöckl musste einige Fehlversuche einstecken. Dass er von vielen als verrückt bezeichnet wurde, konnte ihn von seiner Idee aber nicht abbringen. Seit einem Jahr heizt er nun das gesamte Gebrauchswasser seines Reitbetriebes, seines Bauernhauses und der Ferienwohnungen aus der Wärme des Misthaufens. Wenn in der Saison seine Ferienwohnungen belegt sind, können rund 20 Personen das Warmwasser nutzen.

Wärme aus dem Misthaufen

Große bauliche Investitionen waren nicht notwendig, dafür aber eine Menge Tüftelei und Pioniergeist. Inzwischen zeigt sich täglich, dass es funktioniert, und zwar bei jedem Wetter und jeder Temperatur.

Den Mist seiner acht Pferde bringt er so wie schon seit Vater auf den Misthaufen. Um die Verrottung zu beschleunigen und später besseren Kompost zu erhalten, häckselt er das Material. Das hat den Vorteil, dass der Misthaufen kompakt und klein bleibt. Das Herzstück des Heizsystems ist ein schneckenförmig aufgerollter, 500 Meter langer und ein Zoll dicker PE-Schlauch. Er liegt mitten im Misthaufen und ist nicht mehr zu sehen. Jeden Monat werden zusätzlich 100 Meter Schlauch in den wachsenden Misthaufen eingerollt. Von außen zu sehen ist wie gesagt nichts.

Misthaufen dampfend im Winter
Johann Stöckl
Die Misthaufenheizung funktioniert bei jedem Wetter und jeder Temperatur

Die Arbeit machen Bakterien

Millionen von Bakterien und Mikroorganismen erzeugen beim Abbau des Pferdemists hohe Temperaturen, über 60 Grad Celsius entstehen so im Misthaufen. Und zwar unabhängig von Wetter und Außentemperatur. Das funktioniert ohne jegliche Verbrennung und deshalb besonders umweltfreundlich. Genutzt wird einfach der natürliche Prozess der Verrottung. Wird nun Wasser durch den Schlauch geschickt, erwärmt es sich auf über 60 Grad. Über einen Wärmetauscher und eine Zirkulationspumpe gelangt es in die Wasserleitungen des gesamten Hauses und des Stalls.

Zwei Temperaturanzeigen
Johann Stöckl
Mit über 60 Grad ist das Wasser im gesamten Haus zu nutzen

Zeit und Geld gespart

Endlose Holzarbeit gehört für Johann Stöckl inzwischen der Vergangenheit an. Früher heizte er das gesamte Gebäude und auch das Wasser mit Holz. Heute braucht er davon um 90 Prozent weniger. Für Johann Stöckl zählen vor allem die gesparten Arbeitsstunden, er spart aber auch etwa 2.000 Euro an Gaskosten im Jahr, rechnete er aus.

Doppelter Nutzen des Misthaufens

„Die gesamte Warmwasserheizung ist praktisch wartungsfrei“, nennt Stöckl einen weiteren Vorteil. Nur einmal im Jahr, im März, wird der Misthaufen abgetragen. Um die darin verborgenen Schläuche nicht zu beschädigen, hat er ein spezielles Verfahren ausgetüftelt. „Das war noch einmal eine echte Herausforderung“, erinnert er sich. Der inzwischen gut abgelagerte Mist wird als wertvoller, feiner Kompost auf seine acht Hektar Grünland ausgebracht. Daraus entsteht das gesamte Heu für seine Pferde, die ansonsten auf den Wiesen auch weiden. Eine perfekte Kreislaufwirtschaft im Einklang mit der Natur, freut sich Johann Stöckl.

Pferdemist ja, Kuhmist leider nein

Pferdemist und die Boxeneinstreu aus Stroh eignen sich für die Wärmegewinnung hervorragend. Den Mikroorganismen kommt zugute, dass Pferde im Grunde schlechte Futterverwerter sind und genug grobe Struktur in den Pferdeäpfeln steckt. Kühe als Wiederkäuer verwerten das Futter besser, außerdem ist ihr Mist zu flüssig, um den Bakterien einen idealen Boden für ihre Arbeit zu bieten. „Vielversprechende Versuche gibt es mit Schafmist“, erklärte Johann Stöckl. Allerdings müsste auch hier genügend Menge zusammenkommen. Weil Schafe großteils im Freien gehalten werden, dürfte das schwieriger sein. Pferdemist steht dagegen rund ums Jahr zur Verfügung, selbst wenn die Tiere täglich einige Stunden auf die Koppel dürfen.

Interesse von großen Pferdeställen in Deutschland

Ein großer Pferdebetrieb bei Hannover, die Pianova Reitakademie mit etwa 50 Pferden, hat das Warmwasserverfahren inzwischen ebenfalls umgesetzt. „Man braucht mindestens fünf bis acht Pferde, je mehr Mist anfällt, desto besser natürlich“, erklärte der Tiroler Reitstallbetreiber, der mit einem deutschen Kollegen das System nun weiter ausbauen will. „Wenn genug Energie aus dem Mist erzeugt wird, ist es auch möglich, etwa die Bodenheizung eines Wohnhauses allein aus der Wärme des Mistes zu betreiben“, ist Stöckl überzeugt.