Eine Diabetikerin spritzt sich mit einem Insulin-Pen Insulin
dpa/Gero Breloer
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Wissenschaft

Wie neue Technik die Medizin verändert

Die Technik von Telemedizin & Co. ist in vielen Bereichen weit fortgeschritten, die Gesamtgestaltung von Betreuungssystemen unter ihrer Anwendung ist die Crux, hieß es am Montag bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen. Experten orten Nachholbedarf.

Am weitesten fortgeschritten sind in Österreich Systeme zur telemedizinischen Betreuung von Diabetikern sowie, in Tirol und in der Steiermark, mit „Herz-Mobil“ ein Netzwerk, bei dem Herzinsuffizienzpatienten täglich ihren Allgemeinzustand, Blutdruck-und Gewichtsdaten via Handy-App übermitteln. Betreuende Klinikabteilung, der behandelnde niedergelassene Arzt und spezialisierte Krankenpflegepersonal können dann im Bedarfsfall reagieren. Den Patienten bietet das mehr Sicherheit.

Heimüberwachung entlastet Spitälrer

„An Herzinsuffizienz leiden in Österreich 300.000 bis 350.000 Menschen. Bei über 65-Jährigen ist sie der häufigste Aufnahmegrund ins Krankenhaus“, sagte der Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP). 2017 wurde das System in Tirol in den Regelbetrieb übergeführt. In der Steiermark ist man im Aufbau. „Die Rehospitalisierungsrate ist um 50 Prozent gesunken“, sagte Tilg. Im Zeitraum von sechs Monaten nach der letzten Spitalsaufnahme reduzierte sie sich durch die bessere „Heimüberwachung“ von 50 auf 25 Prozent.

Technik wird immer besser

Die Kardiologie ist in Sachen Telemedizin ein Vorreiter. Martin Schulz vom deutschen Herzzentrum Bad Oeynhausen führte einige Anwendungen an: Die tägliche Kontrolle der Blutgerinnung innerhalb enger Grenzen bei Patienten mit implantierter Herzpumpe, die Begleitung von mehr als 2.000 Herzinsuffizienzpatienten, die Kontrolle der Funktion und des Zustandes von Patienten mit implantierten Herzschrittmachern und das Coachen von Patienten mit Insulinpumpen. „In Zukunft werden die Herzschrittmacher auch kleine Event-Recorder aufweisen, die EKGs aufzeichnen“, sagte der Experte. Das soll die Betreuung von Menschen mit Rhythmusstörungen verbessern.

System muss angepasst werden

Doch es ist längst nicht allein die Technik, welche solche Systeme funktionieren lässt. „Die Technologie ist nur ein ‚bescheidener‘ Beitrag“, sagte Günter Schreier vom Austrian Institute of Technology (AIT). Vielmehr macht der Einbau von digitalen Technologien in den Ablauf der medizinischen Versorgung von Patienten den entscheidenden Punkt aus. Ärzte müssen neu mit anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten lernen. Ordinationsabläufe müssen für Telemedizin etc. angepasst werden. Dienstpläne in Kliniken müssen adaptiert werden.

Die neuen Systeme dürften in Zukunft das Gesundheitswesen nachhaltig verändern. „Am Prince of Wales Hospital in Sydney bauen wir eine Klinik mit 250 Betten weniger als es für die Versorgungsregion notwendig wäre. Wir wollen durch mehrere E-Healthprojekte die Spitalaufnahmen so reduzieren, dass wir die Betten nicht mehr brauchen“, erklärte der australische Wissenschafter Nigel Lovell in einer Video-Zuspielung. Für die Versorgung von Patienten in den entlegenen Regionen Australiens dürfte Digital Healthcare in Zukunft entscheidende Bedeutung erlangen.

Österreich hätte gute Voraussetzungen

Der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt, Winfried Pinggera, will durch digitale Systeme die Rehabilitation näher an die Versicherten heranbringen und den Zeitraum der Wirksamkeit einer stationären Rehabilitation durch E-Health-Nachfolgeprogramme erhöhen. An sich besitzt Österreich mit der E-Card und dem nunmehrigen ELGA-System bereits gute Voraussetzungen für Digital Healthcare und ist dabei zum Beispiel besser aufgestellt als Deutschland.

Für den zukünftigen Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse, Bernhard Wurzer, fehlt es aber in Österreich noch immer an der Grundsatzentscheidung, diese Systeme umfassend einzuführen, zu evaluieren und anzuwenden.