Im Tiroler Oberland sind Äcker mit Getreide seit einigen Jahren wieder häufiger zu sehen. Viele Bauern entschieden sich wieder dazu, Getreide anzubauen. Gerste etwa wächst beispielsweise auch in hohen Lagen wie in Leutasch, berichtete Landwirt Georg Pfurtscheller. Er wollte auf seinen Leutascher Feldern ursprünglich Erdbeeren anbauen. Dann hatte er ein Problem mit der Fruchtfolge und stieg auf die alte Sorte der Fisser Imperialgerste um.
Lange Tradition des Getreideanbaus
In der Nachkriegszeit wurden in Tirol fast 14.000 Hektar mit Getreide angebaut. Mit dem technischen Fortschritt wurde es immer weniger, bis irgendwann nur noch 600 Hektar angebaut wurden. 2002 starteten einige wenige Bauern die Genossenschaft Bioalpin, um dort Biogetreide für die Marke Bio am Berg anzubauen. Sie zählten damit zum ersten Getreideprojekt in Tirol. Seit einigen Jahren wird Getreide für die Tiroler Bauern erneut zunehmend interessanter.
Aktuell bauen sie über 700 Hektar Weizen, Gerste, Roggen und Dinkel an, und diese Zahl steigt weiter, berichtet Reinhard Egger, der Referent für Ackerbau der Landwirtschaftskammer. „Die Talsohle ist durchschritten“, ist Egger überzeugt. In den vergangenen Jahrzehnten wurde Getreide in Tirol häufig für die Tierfütterung angebaut, jetzt hat die Lebensmittelindustrie wieder starkes Interesse an heimischem Getreide.
Klimaresistenter Anbau
Der Preisdruck am Milchmarkt und beim Vieh sowie der Klimawandel tragen viel zu dieser Entwicklung bei. Trockene Sommer wie heuer und auch im vergangenen Jahr können dem Getreide nämlich nur wenig anhaben. Wenn es länger nicht regnet, kann das Getreide seine Stärken zeigen. Es hat eine enorme Durchwurzelungsleistung, berichtete Egger. Die Wurzeln des Getreides reichen etwa ein bis eineinhalb Meter in die Erde, dadurch könne es solche Trockenphasen gut überdauern.
Große Nachfrage bei Tiroler Unternehmen
Auch die Nachfrage nach Tiroler Getreide ist stark gestiegen. Zillertal Bier und Starkenberger etwa verwenden die Körner aus der Region zum Bierbrauen. Und auch der Bäcker Ruetz setzt seit zehn Jahren auf heimisches Getreide. Die Familie hat selbst Äcker, die Bäckerei kann mittlerweile auf gut 30 Lieferanten aus der Region zurückgreifen. Im Sortiment sind aktuell sechs von 21 Brotsorten komplett aus Tiroler Getreide.
Das komme auch bei den Kunden sehr gut an, berichtete Landwirt und Bäckermeister Christian Ruetz. Vielen Menschen sei es mittlerweile sehr wichtig, auf regionale Produkte zurückzugreifen. Gleichzeitig zeige auch die Vermarktung ihre Wirkung. Die Bauern, die Getreide an den Bäcker Ruetz liefern, weisen ihre Felder mit Schildern aus. Das sehen Passanten beim Radfahren und Spazierengehen. Wenn sie den Bauern kennen, stärke das den Mehrwert und das Vertrauen für die Kunden, ist Ruetz überzeugt.
Verarbeitung in Tirol
Auch das Getreidezentrum in Flaurling trägt zu dem Trend ums Getreide bei. Hier können 100 Bauern ihr Getreide verarbeiten und reinigen lassen. Gleichzeitig werden gemeinsam mit dem Land und der Gendatenbank auch alte Getreidesorten wieder eingeführt, heuer etwa eine alte Dinkelsorte.
Die Sorte Roter Tiroler Kolbendinkel sei fast in Vergessenheit geraten, jetzt wurde sie wieder aktiviert. Aus einigen Kilogramm Saatgut wurden mehrere Tonnen gezogen. Die Nachfrage danach sei groß, erklärte Egger, der auch der Geschäftsführer der Tiroler Saatbaugenossenschaft ist. Auch andere Bundesländer zeigten Interesse an der alten Dinkelsorte, aktuell gebe es für Exporte aber noch zu wenig, die Nachfrage sei aber groß, so Egger. Der Getreideanbau gilt damit als großes Zukunftsfeld für die Tiroler Landwirtschaft.