Anbaufläche
Sebastian Laner
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Landwirtschaft

Kritik an Agrar-Reformvorhaben der EU

Kein gutes Haar an den Reformvorschlägen der EU-Kommission zur Landwirtschaft lässt ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Uni Innsbruck. Zwar bekenne sich die EU zu mehr Nachhaltigkeit, in den Reformvorschlägen spiegle sich dies aber nicht wider.

174 Millionen Hektar – das sind 40 Prozent der gesamten Fläche – werden in der EU landwirtschaftlich genutzt. In Österreich liegt der Anteil bei etwa 38 Prozent. Die Intensivierung der Landnutzung ist laut Weltbiodiversitätsrat IPBES die Ursache Nr. 1 für den Rückgang der biologischen Vielfalt. Von dieser Vielfalt hängt maßgeblich das Wohlergehen der Menschen ab.

Die Europäische Union – und damit auch Österreich – verpflichteten sich in verschiedenen internationalen Abkommen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zum Schutz der Biodiversität und des Klimas. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union ist dabei eines der wichtigsten Politikfelder, um diese internationalen Verpflichtungen umzusetzen. „Doch gerade hier ist wenig von dieser Absicht zu erkennen“, kritisiert ein Forscherteam um Dr. Christian Schleyer vom Institut für Geographie der Universität Innsbruck.

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Die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft wird durch die Intensivierung verringert

Forscher orten klaren Rückschritt zu bisherigen Regelungen

Die Forscher analysierten den aktuellen Reformvorschlag der EU-Kommission zur GAP nach 2020. Dabei standen drei Fragen im Vordergrund: Ist der Reformvorschlag mit den UN-Nachhaltigkeitszielen vereinbar, reflektiert er die gesellschaftliche Diskussion über die Landwirtschaft und bringt er eine Verbesserung der GAP? Die neuen Vorschläge stellen einen klaren Rückschritt gegenüber den bisherigen Regelungen dar, lautet das Ergebnis der Forscher.

Ressourcenökonom Christian Schleyer von der Universität Innsbruck
Walter Elsner/photo riccio
Christian Schleyer von Uni Innsbruck arbeitete an der Studie mit

Die Forscher kritisieren zudem, dass die EU Instrumente erhalten wolle, die sich nachweislich als ineffizient, klima- und umweltschädlich sowie sozial ungerecht herausgestellt hätten. Ein Beispiel sind die Direktzahlungen im Rahmen der sogenannten Säule 1 der GAP. Rund 40 Mrd. Euro (ca. 70 Prozent des GAP-Budgets) bekommen Landwirte allein auf Grundlage der bewirtschafteten Fläche. Dies führt zu einer ungleichen Förderung: 1,8 Prozent der Empfänger bekommen 32 Prozent des Geldes, es profitieren also vor allem Großbetriebe.

EU setzt auf freiwillige Maßnahmen

Die EU-Kommission will an den Direktzahlungen festhalten und bietet als Reaktion auf die breite Kritik eine „Grüne Architektur“ an. Diese umfasst eine Ausweitung der Kriterien der „Guten landwirtschaftlichen Praxis“ sowie neue freiwillige Umweltschutzmaßnahmen in Säule 1. Außerdem wurde ein Teil des GAP-Budgets als klimafreundlich definiert. Laut den Forschern fehlen aber geeignete Maßnahmen für einen effektiven Klimaschutz.

Traktor mit einer Scheibenegge beim „Stoppelsturz“ auf einem Getreidefeld
APA/HARALD SCHNEIDER
Den Großteil des Agrargeldes bekommen Landwirte allein auf Grundlage der bewirtschafteten Fläche.

Mit Säule 2 will die EU Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie die Entwicklung des ländlichen Raums fördern. Diese Säule soll künftig jedoch erheblich gekürzt werden, obwohl ihr Volumen schon heute nur rund ein Zehntel von Säule 1 betrage. Den Grund für die Umweltdefizite sehen die Forscher in einem unausgewogenen Reformprozess, der mächtigen Lobbyverbänden weitgehende Einflussmöglichkeiten eröffne und wichtige Akteure aus Wissenschaft und Gesellschaft ausschließe.

Forscher empfehlen Einstellung der Direktzahlungen

Laut einer EU-Umfrage bescheinigen 92 Prozent der befragten Bürger und 64 Prozent der Landwirte der EU-Kommission zu wenig Engagement im Umwelt- und Klimaschutz in der GAP. Eine effektive Maßnahme zur Korrektur der GAP sehen die Forscher in der Einstellung von Direktzahlungen.

Stattdessen solle Säule 2 gestärkt und Maßnahmen unterstützt werden, die sich als förderlich für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele erwiesen hätten. „So könnten beispielsweise die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in Säule 2 viel stärker auf die Landschaftsebene ausgerichtet und gezielt betriebsübergreifende Maßnahmen gefördert werden“, so Ressourcenökonom Christian Schleyer von der Universität Innsbruck.

Die finale Runde der GAP-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Europäischem Rat und EU-Parlament beginnt voraussichtlich im Herbst.