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Politik

Viele Bürgermeister haben genug

Die Aufgaben der Bürgermeister sind in den letzten Jahren stark gewachsen. Viele Ortschefs wollen da nicht mehr mitmachen. Für die Gemeinderatswahlen 2022 haben bereits einige Bürgermeister angekündigt, dass sie nicht mehr antreten wollen oder sogar vorher zurücktreten.

Der Tarrenzer Bürgermeister zieht den Schlussstrich. Seit 21 Jahren ist Rudolf Köll im Amt. In den vergangenen Jahren haben sich die Aufgaben des Bürgermeisters aber stark verändert, erzählte er. Da will er nicht mehr mitmachen. Das Amt des Bürgermeisters sei über die Jahre merklich schwieriger geworden. Von Bund und Land würden viele Aufgaben auf die Gemeinden übertragen, Unterstützung gebe es wenig. 80 Prozent seiner Zeit agiere er als Behörde, da fühle er sich, als stehe er mit einem Bein immer im „Ziegelstadel in Innsbruck“, erklärte Köll.

Bürgermeister Rudolf Köll neben dem Ortsschild in Tarrenz
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Nach 21 Jahren im Amt tritt Rudolf Köll vorzeitig als Bürgermeister zurück

Seit dem EU-Beitritt werde versprochen, dass die Verwaltung erleichtert werde, passiert sei aber genau das Gegenteil. Es gebe immer mehr Auflagen und Verordnungen, und er benötige mehr Gutachten. Das mache die Bürger müde, aber auch die Gemeinde. „Wir sind so weit, dass die Verwaltung die Verwaltung verwaltet“, so Köll.

Aggressives Verhalten gegenüber Bürgermeistern

Die Bürger würden zu den Politikern kommen, damit „Unmögliches möglich gemacht werde“. Als Bürgermeister sei man Ansprechpartner für fast alles. Der Ton sei dabei in den letzten drei, vier Jahren aber immer aggressiver geworden, berichtete Köll von seinen Erfahrungen. Dazu trägt seiner Meinung nach auch die elektronische Kommunikation bei. Es werde kaum mehr auf Augenhöhe gesprochen, Beschwerden würden schnell per E-Mail oder per SMS verschickt, man müsse dazu niemandem mehr ins Gesicht schauen. Das habe ihn als Bürgermeister ermüdet. Köll will deshalb im Dezember 2020, also knapp 1,5 Jahre vor den nächsten Gemeinderatswahlen zurücktreten.

Beschimpfungen per Mail oder SMS

Fachlich zu diskutieren sei kaum mehr möglich, erklärte der Tarrenzer Bürgermeister Rudolf Köll.

Auch andere seiner Amtskollegen in Tirol berichten Ähnliches. Über einen frühzeitigen Rücktritt denken einige nach, viele erklärten gegenüber ORF Tirol, sie würden 2022 nicht mehr für das Amt des Bürgermeisters antreten. Schon bei den letzten Gemeinderatswahlen 2016 war es in einigen Orten schwierig, überhaupt Bürgermeisterkandidaten oder -kandidatinnen zu finden. Die vielen Aufgaben, aber auch das steigende Alter der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister tragen dazu bei. Aktuell sind in Tirol 222 der 279 Bürgermeister über 50 Jahre alt.

Eine Altersstatistik der Tiroler Bürgermeister
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Die Altersstatistik der Tiroler Bürgermeister und Bürgermeisterinnen

Reith bei Seefeld: Optimismus in der ersten Amtszeit

Einer der jüngsten Bürgermeister in Tirol ist der 33-jährige Dominik Hiltpolt. Seit dreieinhalb Jahren ist er der Ortschef in Reith bei Seefeld. Die vielen Aufgaben in seiner Gemeinde sieht er noch als durchaus positive Herausforderungen. Als Bürgermeister könne er direkt etwas bewegen, in dem Amt beeinflusse er das Leben von Menschen von der Wiege bis zur Bahre, erklärte er. Zwar selten, aber doch immer wieder bekomme er da auch positive Rückmeldungen, das seien dann schöne Momente.

Die Folgen der Vorgaben des Bundes spürt aber auch er. Weil die Gemeinde innerhalb von zwei Jahren mehr Kinderbetreuung bieten musste, wird derzeit ein neues Gemeindezentrum gebaut. Damit soll Platz für die Kinderbetreuung geschaffen werden. Für Reith bei Seefeld ist das auch finanziell eine Herausforderung. Der Druck kommt allerdings nicht nur vom Bund, auch die Bürger würden immer mehr fordern, erklärte Hiltpolt. Da müsse er die Einheimischen auch immer wieder daran erinnern, dass eine kleine Gemeinde nicht dieselben Leistungen bieten könne wie eine große Gemeinde.

Erste Amtsperiode

Die jungen Bürgermeister in Reith bei Seefeld und Navis sehen das Positive an ihrer Aufgabe.

Navis: Seit Jänner im Amt

Der neueste Bürgermeister in Tirol ist Lukas Peer. Er führt seit Jänner den stark zerrütteten Gemeinderat von Navis an. Dort gab es im Vorfeld der vorgezogenen Neuwahl viele Streitigkeiten und hitzige Diskussionen, der ehemalige Bürgermeister trat schließlich zurück. Seine Aufgabe sei es jetzt erstmal, Normalität in den Gemeinde zu bringen, berichtete Peer. Das Bürgermeisteramt sei keine leichte Aufgabe, und er habe lange darüber nachgedacht, ob er das Amt übernehmen wolle.

Die verschiedenen Aufgabenbereiche in der Gemeinde seien für ihn aber spannend und interessant. Peer lässt sich auch nicht davon entmutigen, dass der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde 24 Stunden täglich für beinahe alles zuständig ist. Er hat seinen Job bei der Landwirtschaftskammer auf 50 Prozent reduziert. Der Posten als Bürgermeister beanspruche viel Zeit, aber es sei auch sehr schön, wenn die Gemeinde lebenswerter gemacht und etwas für die Bürger erreicht werde, so Peer. Für das Bürgermeisteramt brauche es vor allem auch viel Mut, erklärte Noch-Bürgermeister Köll in Tarrenz. Und auch eine dicke Haut wünscht er seinen jungen Amtskollegen.