Wahlzettel GW2020
Tarja Prüss
Tarja Prüss
Politik

Wahl mit Politikverdrossenheit und Pandemie

Am Sonntag entscheidet sich, wer in den nächsten sechs Jahren in den Tiroler Gemeinden das Sagen hat. Die Wahlbeteiligung dürfte heuer sinken, befürchten Experten. Viele Gemeinden wollen das mit einem intensiven Wahlkampf verhindern, Kaunerberg versucht es mit einem Experiment.

Vor sechs Jahren haben 71 Prozent der wahlberechtigten Tirolerinnen und Tiroler ihre Stimme bei der Gemeinderatswahl abgegeben. Diese Wahlbeteiligung dürfte heuer schwierig zu erreichen sein, befürchtet Politikwissenschafter Philipp Umek von der Uni Innsbruck. In Österreich herrsche im Moment eine starke Politikerverdrossenheit, viele Menschen seien mit ihren Repräsentanten unzufrieden, erklärte Umek.

Erschwerend dazu komme die Pandemie. Es sei damit zu rechnen, dass es einen Anstieg bei den Briefwahlkarten geben wird, gleichzeitig sei sehr wahrscheinlich, dass viele Leute gar nicht erst zur Wahl gehen werden, glaubt der Politikwissenschafter.

Briefkasten mit Wahlkarte
ORF.at/Carina Kainz
Mehr Menschen als zuletzt dürften bis Freitag noch ihre Stimme per Post abgeben

Kleine Gemeinden, höhere Wahlbeteiligung

Für mehr Wahlbeteiligung sorge naturgemäß ein „vitaler politischer Wettbewerb“. Je mehr Listen in einer Gemeinde antreten, desto höher sei normalerweise auch die Wahlbeteiligung, erklärte Umek. In Gemeinden wie Schwaz oder Kufstein, wo heuer acht bzw. zehn Listen antreten, dürfte die Motivation wählen zu gehen also höher sein.

Ein weiteres Phänomen, das sich in ganz Europa zeige sei, dass in kleinen Gemeinden überdurchschnittlich viele Menschen ihre Stimme abgeben, der Gang ins Wahllokal sei dort oft auch ein sozialer Akt, berichtet Umek von Ergebnissen der Wählerforschung. In kleinen Gemeinden ist am Sonntag also mit einer höheren Wahlbeteiligung zu rechnen.

Kaunerberg mit Vorzugsstimmen-Experiment

Aber auch kleine Gemeinden haben ihre Probleme. In Kaunerberg (Bezirk Landeck) etwa tritt dieses Mal nur die Liste des amtierenden Bürgermeisters Peter Moritz (ÖVP) an. „Die Auswahl ist also überschaubar“, schmunzelte Moritz. Er befürchtete deshalb, dass viele nicht zur Wahl gehen werden, weil die Wahl ja ohnehin schon entschieden sei.

Kaunerberg
TVB Kaunertal/ Martin Lugger
Die Gemeinde Kaunerberg versucht es bei den Wahlen am Sonntag mit einem Experiment

Sendungshinweis

„Mittagsinformation“, 21.2.

Moritz hat sich deshalb etwas Besonderes überlegt: Wer in Kaunerberg die meisten Vorzugsstimmen erhält, wird automatisch Vizebürgermeister. Darauf hat er sich mit seiner Liste geeinigt, der Gemeinderat wird die Wahl der Kaunerbergerinnen und Kaunerberger akzeptieren und die Vorzugsstimmenkaiserin oder den -kaiser zum Vizebürgermeister wählen.

Direkte Demokratie als Motivation zur Stimmabgabe

Mit diesem Experiment hofft der Bürgermeister, die Bürgerinnen und Bürger in Kaunerberg doch noch zur Wahl motivieren zu können, sagt Moritz. Es sei ihm wichtig, dass möglichst viele ihr Wahlrecht nutzen. Auf den ersten Blick funktioniere das, er erhalte derzeit immer wieder die Rückmeldung, dass vermehrt um Vorzugsstimmen „gebuhlt“ werde, und auch für die Stimmabgabe mobilisiert werde, sagt der Kaunerberger Ortschef.

Wie viele in Kaunerberg und in den anderen Gemeinden dann wirklich zur Wahl gehen wird erst der Sonntag zeigen. Wahlkarten können in ganz Tirol noch bis Mittwoch schriftlich beantragt werden, in den Gemeinden können sie bis Freitag abgeholt werden.