Ein „Muss“ für Tiroler Bergsteiger
Die Wildspitze (3.774 m) ist nicht nur der höchste Gipfel Nordtirols sondern auch der Ötztaler Alpen, und wohl jeder Bergsteiger Tirols möchte einmal auf diesem freistehenden und schönen Gipfel stehen. Die Hochtour auf die Wildspitze kann über mehrere Wege aus dem Ötztal und dem Pitztal unternommen werden. Jeder Anstieg erfordert entsprechende Hochtourenerfahrung, eine komplette Gletscherausrüstung oder darüber hinaus ist die Begleitung durch einen Bergführer angeraten.
Charakter: anspruchsvolle Hochtour; spaltenreiche Gletscherabschnitte
Entfernung: 1. Tag: Aufstieg zur Breslauer Hütte (800 Hm; 2 Std.); 2. Tag: Gipfelaufstieg (950 Hm, 4 Std.)
Ausganspunkt: Vent, Rofenhöfe (2.014 m)
Anreise öffentlich: Mit dem Zug bis Ötztalbahnhof und dann mit dem Regionalbus nach Vent
Aufstieg von Vent
Der schnellste Aufstieg aus dem Ötztal führt von Vent (1.895 m) über die Breslauer Hütte (2.844 m) zum Gipfel. Eine Übernachtung auf der Schutzhütte ist anzuraten. Die etwas längere Variante wäre der Anstieg über die Vernagthütte (2.755 m), ist aber dafür weniger steil und hat mehr Gletscheranteil. Vor allem später im Jahr ist der Weg über die Vernagthütte oft jenem über die Breslauer Hütte vorzuziehen, da er tendenziell sicherer ist.
Später im Sommer (meist ab August) ist nämlich der Steilabschnitt oberhalb der Breslauer Hütte zum Mitterkarjoch oft blank und steinschlaggefährdet. Es ist daher ratsam, sich entsprechende Informationen vorab einzuholen (zum Beispiel bei der Bergführerstelle Vent, Tel.: +43/5254/8106).
Aufstieg über die Breslauer Hütte
Derzeit (24.7.2020) bietet der Aufstieg über die Breslauer Hütte ausgezeichnete Verhältnisse. Der Steilabschnitt zum Mitterkarjoch (3.470 m) ist in bestem Zustand mit einer guten Schneeauflage. Zu beachten ist, dass eine Anmeldung für die Übernachtung in der Breslauer Hütte unbedingt notwendig ist.
Startpunkt ist in Vent. Für den Aufstieg zur Breslauer Hütte bieten sich zwei Möglichkeiten an. Einmal kann man von Vent mit dem Wildspitzlift (Doppelsesselbahn Wildspitze & 6er Sesselbahn Wildes Mannle) vom Ortszentrum sich auf 2.646 Meter bringen lassen (Betriebszeit: 8.00 – 12.30; 13.30 – 16.30). Dann verbleibt eine Stunde Aufstieg bis zur Breslauer Hütte am stark frequentierten Wanderweg. Für diese Bequemvariante parkt man am Ortseingang am großen gebührenpflichtigen Parkplatz.
Die zweite, „ehrlichere“ Variante ist der Start in Rofen und von dort zu Fuß hinauf. Man fährt dazu von Vent noch weiter bergwärts bis unmittelbar vor den Häusern in Rofen und parkt am „halboffiziellen“ Parkplatz bei der Talstation der Materialseilbahn der Breslauer Hütte (2.014 m). Unmittelbar beim Geierwallihof beginnt der Steig zur Breslauer Hütte (anfangs steil, später etwas flacher; 830 Hm; ca. 2 Std.).
Früh am Morgen geht’s los
Man übernachtet auf der Breslauer Hütte und startet den Gipfelaufstieg zeitig in der Früh. Die Startzeit ist durch die Frühstückszeit vorgegeben (5.00-5.30 Uhr). Bei schönem Wetter ist der Start gekrönt von den sonnenbeschienenen, fast durchwegs vergletscherten Gipfel des hintersten Ötztales. Es ist ein besonderes Erlebnis in dieser Szenerie den Weg zum höchsten Nordtiroler Gipfel anzugehen. Man folgt man dem markierten Steig ins Mitterkar. Bald schon zeigt sich rechts oben das Gipfelkreuz der Wildspitze, während das Mitterkarjoch noch nicht zu sehen ist. Die Route macht schließlich einen Rechtsbogen und damit zeigt sich das steile Kar, das es zu bewältigen gilt.
Das Mitterkarjoch – die Schlüsselstelle
Am Beginn des aufsteilenden Kars werden der Sitzgurt und die Steigeisen angezogen. Auch der Eispickel soll für den Steilaufstieg gute Dienste leisten, wie auch eine mögliche Seilsicherung speziell für die Felspassage. Bei Firnauflage lässt sich der steile Aufstieg mit Steigeisen meist problemlos meistern. Sobald keine Firnauflage mehr da ist, wird dieser Abschnitt am Blankeis sehr selektiv.
Man erreicht den kurzen Klettersteig über den Felsaufschwung hinauf zum Mitterkarjoch (entsprechende Sicherung mit Seil oder auch Klettersteigset ist angeraten). Dieser Teil des Aufstieges ist aus technischer Sicht die Schlüsselstelle der gesamten Wildspitztour.
Am Taschachferner dem Gipfel zu
Mit Erreichen des Mitterkarjochs (3.470 m) steht man auf Pitztaler Seite am Taschachferner. Nun ist es unbedingt notwendig, als Gletscherseilschaft den weiteren Weg anzutreten. Man seilt sich mit den entsprechenden Abständen an und folgt dem meist gespurten Weg über den sehr spaltenreichen Gletscher. Der Gletscheraufstieg ist nie besonders steil, aber aufgrund der zahlreichen Spalten auch bei ausgetretener Spur sehr ernst im Hinblick auf die Gefahr eines Spaltensturzes.
Über einen Felsgrat zum Gipfelkreuz
Der Gletscheraufstieg führt in einen weiten Sattel am Grat zum Ansatz des Westgrates der Wildspitze. Über den Grat erreicht man nun in leichter Blockgrat-Kletterei in kurzer Zeit den Gipfel der Wildspitze (3.774 m). Seit Aufbruch bei der Breslauer Hütte sind ca. 4 Stunden (950 Hm) vergangen. Der Rundumblick am höchsten Gipfel der umgebenden Ötztaler Alpen und zugleich am höchsten Gipfel Nordtirols ist grandios.
Am zweithöchsten Berg Österreichs
Die Wildspitze ist mit 3.774 m (manchmal wird die Höhe auch mit 3.768 m oder mit 3.770 m angegeben) nach dem Großglockner (3.798 m) auch der zweithöchste Berg Österreichs. Die zentrale Lage der Wildspitze besticht mit einem Panoramablick, der seines gleichen sucht und bei guter Sicht vom Berner Oberland bis zu den Hohen Tauern reicht. In südlicher Richtung zeigt sich in geringer Entfernung die Weißkugel (3.738m), der dritthöchste Berg Österreichs. Dahinter (in Südtirol) reckt, so wie es im Bozner Bergsteigerlied heißt, König Ortler (3.905 m) seine Stirn hoch in die Lüfte. Im Westen ist bei guter Sicht sogar das Finsteraarhorn (4.274 m) im Berner Oberland auszumachen, während im Osten der Großvenediger (3.657 m) seine Gipfelpyramide präsentiert.
Sendungshinweis:
„Hallo Wochenende“,
24.7.2020
Dann heißt’s doch leider wieder absteigen
Der Abstieg erfolgt auf bekanntem Weg. Wer die entsprechenden Fähigkeiten hat, kann für den Abstieg auch den Nord-West-Grat oder den Ostgrat wählen und dabei die Wildspitze überschreiten. Beide Abstiege sind allerdings deutlich anspruchsvoller als der beschriebene Aufstieg!
Hubert Gogl wünscht eine schöne Hochtour auf die Wildspitze!