Der Lech: Über die Nachhaltigkeit von EU-Geld

Das Lechtal ist ein gutes Beispiel für beabsichtigte und unbeabsichtigte Nebenwirkungen von EU-Investitionen. In den Lech im Bezirk Reutte floss schon mehrmals EU-Geld, die abgelegene Region blühte dadurch auf.

In den Lech fließt derzeit viel Geld aus Brüssel: rund 3,6 Millionen Euro für das Life Lech II Projekt, eine Ökologisierung Europas letzter Wildflusslandschaft. Das EU-Geld, so Wolfgang Klien vom Baubezirksamt Reutte, ermögliche Maßnahmen, die der Bund nicht zahlen würde: Teure Nebenarme für die Flusserweiterung, eine neue Hängebrücke bei Forchach.

Der Lech Wildflusslandschaft

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Neu angelegte Lech-Nebenarme verhindern, dass sich der Fluss tief eingräbt. Mit Bundesgeld alleine wären sie nicht zu finanzieren.

Ziel ist der Erhalt der typischen Kiesbankflächen und des Artenschutzes, damit Zwergrohrkolben, seltene Spinnen und andere Tiere überleben können, wird die Flussregulierung der Nachkriegszeit zurückgebaut. Die sechs Millionen Euro Gesamtkosten für Aushub-, Bagger-, Bau- und Entsorgungskosten, so Klien, bleiben zum Großteil in der Region.

Radikaler Gesinnungswandel im ganzen Tal

Dass sich die Gemeinden, deren Bürgermeister für die einzelnen Projektabschnitte Bauherren sind, überzeugen ließen, ist eine Folge eines früheren EU-Projektes. Von 2001 bis 2007 floss schon einmal EU-Geld in das erste Life-Lech-Projekt. Dabei wurde die Wildflusslandschaft zurückgewonnen, hochwertiger Naherholungsraum entstand.

Lech

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Dieses Ergebnis löste bei Politikern und Bewohnern ein Umdenken aus. Gab es bei Life Lech I noch Widerstand und Skepsis, so freuten sich die Menschen im Lechtal bei Life Lech II, dass sich in den Orten wieder etwas tue, so Klien. „Life Lech I hat gezeigt, dass es gut werden kann“, so Klien.

Wechselwirkung zwischen EU-Projekten

Die Ökologisierung des Lech macht Rückenwind für den Lechweg, ein weiteres, schon Jahre zurückliegendes Projekt, in das bis 2012 rund 600.000 Euro aus Brüssel flossen. Seit der Fertigstellung des touristischen Produktes „Lechweg“ mit Wander- und Radwegekonzept, Gepäcktransport, Vermarktungsstrategie und lokaler Infrastruktur im Jahr 2012 stiegen die Sommernächtigungen um rund 25 Prozent, berichtet Regionalmanager Günter Salchner.

Die notwendige Zusammenarbeit mit den bayerischen Kollegen für das Interreg-Projekt brachte einen Entwicklungsschub: „Das Knowhow, das der Kollege von Füssen in das Projekt eingebracht hat, war gewaltig. Er hat damit auch sein Netzwerk eingebracht, seine Kontakte und Verbindungen zu Reiseveranstaltern, Reisejournalisten etc. Das und die Kontakte, die wir selbst einbrachten, das brachte uns wirklich weiter“.

Der Lech Wildflusslandschaft

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Neue Orientierung im Außerfern: Die Grenze spielt nur mehr auf der Karte eine Rolle

EU-Projekt hat Selbstbewusstsein verändert

In der Zusammenarbeit mit den Nachbarn verlor die bayerische Grenze an Bedeutung. Das setzte einen weiteren Prozess in Gang, so Salchner: Das Selbstverständnis veränderte sich. Aus dem abgelegenen Bezirk Reutte wurde die nach Bayern offene Region Außerfern.

Im nur 50 Kilometer entfernten Kempten gibt es eine Hochschule, in 50 Minuten lässt sich der Flughafen Memmingen erreichen. Sieben Straßen- und zwei Bahnverbindungen gibt es zu Bayern, aber nur eine ganzjährige Straße zum Tiroler Zentralraum. Aktuell arbeiten Sonthofen in Bayern und Plansee Group in Breitenwang an einer verstärkter Vernetzung von Industriebetrieben in der Region, der Arbeitstitel lautet „Industrie 4.0 Digitalisierung“. Eine Entwicklung, die ohne EU-Geld vielleicht anders aussehen würde.

Ulrike Finkenstedt, tirol.ORF.at