Wohnen im Denkmal
Es ist eine Geschichte mit einigen Umwegen, denn die neue Hotelbetreiberin Ursula Jud Basny hat eigentlich Mathematik studiert. Auf einer Reise nach Korsika hat sie ihren Mann kennen gelernt. Der gebürtige Tscheche Marek Basny ist Restaurator. Die beiden haben ein altes Haus in Korsika gesucht, um es zu sanieren.
In Hall in Tirol, wo Ursula aufgewachsen ist, haben sie dann ein leer stehendes Haus entdeckt und sich in den maroden Bau verliebt. Das denkmalgeschützte, in die ehemalige Stadtmauer integrierte Gebäude nahe dem unteren Stadtplatz war 30 Jahre lang leer gestanden und verfallen.
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Nachvollziehbare Zweifel zu Beginn
„Im ersten Moment war ich schockiert“, erinnert sich die Neo-Hotelbetreiberin Jud Basny an ihren ersten Eindruck: „Ich habe zwar den originalen Natursteinboden gesehen, aber der Eingangsbereich war voller Stützen, damit die Decke nicht einstürzt. Im Nebenraum, da wo wir den Lift eingebaut haben, war die Decke bereits eingebrochen. Wir sind über die morsche Wendeltreppe hinaufgestiegen und haben die prachtvolle barocke Stuckdecke gesehen. In diesem Moment haben wir gewusst, dass wir das machen wollen.“
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Verliebt in Hall
Der Restaurator Marek Basny hat 300 Tonnen Schutt aus dem Altbau gekarrt. Zweieinhalb Jahre hat er auf der Baustelle gearbeitet. „Das ist eine lange Zeit, es war für mich eine körperliche aber auch eine mentale Herausforderung“, erzählt Basny. „Ich habe keine Lieblingsdetails in diesem Haus. Jeder Quadratzentimeter den ich mit meinen Händen saniert habe, die Böden, die Wände, die Balken einfach alles ist wertvoll für mich. Ich habe das aus Liebe zu meiner Arbeit gemacht und aus Liebe zu meiner Frau.“
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Ursula Jud Basny ist die Tochter von Werner Jud, dem ehemaligen Landeskonservator von Tirol. Zahlreiche Details wurden mit den Experten des Denkmalamtes ausführlich diskutiert und individuell umgesetzt. An einigen Stellen wurden mit dem Skalpell sogenannte Zeitfenster aus der Wand geschnitten. Diese kleinen Ausschnitte mit den unterschiedlichen Malschichten von der Gotik über die Renaissance bis zum Historismus erzählen dem Gast von der wechselvollen Geschichte des um 1450 erbauten Hauses. „Mit etwas Fantasie kann man sich durch die kleinen Zeitfenster vorstellen, wie der ganze Raum in einer bestimmten Epoche ausgesehen hat“, freut sich Jud Basny.
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Bausünden der Vorbesitzer
Der Hotelname „Kontor“ verweist auf die ehemalige Funktion als Handelshaus. Hier wurde einst alles umgeschlagen außer Salz. Die neuen Besitzer haben die Räume von späteren Einbauten wie abgehängten Decken und Tapeten befreit. Im Eingangsbereich kam eine Mauer aus der Romanik zum Vorschein. Je nach historischem Befund wurde jedes der fünf Zimmer individuell gestaltet. So blickt der Gast beim Aufwachen auf gotische Holzbalken oder auf eine barocke Stuckdecke. Einige Möbel haben die Basnys selbst entworfen und aus im Haus gefundenem Holz vom Tischler anfertigen lassen.
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Die Fahrt mit dem Lift wird zu einer Reise durch die Jahrhunderte von der Romanik über die Renaissance bis ins heute. Die beiden jungen Hoteliers haben viel Zeit aber auch sehr viel Geld investiert. Trotzdem können sie noch ruhig schlafen.
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„Wir haben das Vierfache des Kaufpreises investiert“, sagt Ursula Jud Basny. „Unsere Bankbetreuer waren schon öfter hier und sind begeistert, was wir geschaffen haben. Die Rückmeldungen von unseren Gästen sind positiv. Der Kredit läuft noch lange und wir wissen, dass wir hart arbeiten müssen, aber wir sind noch jung und haben ein gutes Gefühl.“
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Die Arbeit wird in dem zwei Personen Betrieb ohne Angestellte nicht so schnell ausgehen. Im dritten Stock sollen drei weitere Zimmer entstehen. In welche Epoche die neuen Räume den Gast führen werden, ist noch unklar.
Teresa Andreae, tirol.ORF.at