20 Jahre nach Lawinenkatastrophe im Paznaun
An der Nordseite der Alpen gab es im Jahr 1999 seit dem 20. Jänner extreme Neuschneemengen. Im Raum Galtür waren bis zum 23. Februar etwa vier Meter Neuschnee gefallen, damit lag im Monat Februar etwa sechsmal so viel Schnee wie gewöhnlich.
Zunächst entspannte Stimmung in Galtür
In dem seit dem 17. Februar eingeschneiten Galtür sei die Stimmung zunächst noch entspannt gewesen, erinnert sich Bürgermeister Anton Mattle. „Es hat nie irgendeine Art von Lagerkoller gegeben.“ Zur Unterhaltung der Gäste gab es Programm - am Unglückstag, dem 23. Februar, ein Fassdaubenrennen auf dem Dorfplatz.
Nach tagelangen Schneefällen löste sich an diesem Tag gegen 16.00 Uhr eine Lawine vom Grieskogel aus über 2.700 Meter Höhe und donnerte mit mehr als 200 km/h auf einer Breite von 400 Metern in das Ortszentrum. 300.000 Tonnen Schnee türmten sich auf, der Lawinenkegel mitten im Ort war bis zu acht Meter hoch.
Mit Händen nach Opfern gegraben
Die gigantische Lawine hinterließ eine Spur der Verwüstung. Einwohner und Urlauber waren stundenlang auf sich selbst angewiesen. Mit dem Mut der Verzweiflung gruben die Menschen teilweise nur mit Händen nach möglichen Opfern. Insgesamt 22 Verschüttete wurden lebend geborgen, der letzte drei Stunden nach dem Unglück.
In Galtür wurde in der Tennishalle ein Notlager errichtet, in dem die Verletzten zunächst versorgt wurden. Ärzte, die sich als Urlauber in dem Skiort befunden hatten, beteiligten sich an der Versorgung der Verletzten. Es fehlte an Notfallmedikamenten und Verbandsmaterial, berichtete damals ein Mediziner. „Wir arbeiten hier wie im Busch.“
Galtür: Lawinenkatastrophe mitten im Ort
Ein „Tirol heute“-Beitrag von Andreas Thaler vom 23. Februar 1999.
Flüge erst 14 Stunden nach Unglück möglich
Wegen des dichten Schneetreibens konnten Verletzte zunächst nicht ausgeflogen werden. Galtür war erst am darauffolgenden Morgen - 14 Stunden nach dem Unglück - aus der Luft erreichbar. Ab 6.45 Uhr konnten die ersten Helfer - ungefähr 200 Personen, Lawinensuchhunde sowie medizinisches Material - mit Bundesheerhubschraubern nach Galtür gebracht werden. Im Laufe des Vormittags wurde die Zahl der Helfer auf etwa 400 aufgestockt. Ab etwa 7.15 Uhr wurden die ersten Schwerstverletzten mit dem Rettungshubschrauber Christophorus 5 des ÖAMTC nach Zams ins Spital gebracht.
HBF/Minich
22 Verschüttete bzw. Verletzte konnten gerettet werden - aber 31 Todesopfer, darunter sechs Einheimische, waren zu beklagen. Elf Häuser wurden völlig zerstört.
Nur wenige Meter zwischen Tod und Leben
Zwischen Leben und Tod lagen nur wenige Meter. „In einem Haus wurden zwei Frauen in einem Raum vom Schnee begraben, im verschonten Zimmer nebenan brannte noch die Kerze“, sagte Bürgermeister Mattle. Die Wucht des Schnees habe in einem Gebäude das erste Stockwerk glatt herausgeschossen, das Dachgeschoß sei auf das Erdgeschoß gekracht, erinnerte sich Rudi Mair, Leiter des Tiroler Lawinenwarndiensts.
Sieben Tote bei Lawine in Valzur
Ab 16.00 Uhr setzte am 24. Februar neuerlich starker Schneefall ein, der Flugbetrieb musste daher wieder eingestellt werden. Am Nachmittag wurde dann der zu Ischgl gehörende Weiler Valzur von einer Lawine überrascht, mehrere Personen wurden verschüttet.
Am Abend musste die Suche nach Verschütteten in Valzur wegen zu großer Lawinengefahr zunächst unterbrochen werden, am nächsten Morgen konnte weitergesucht werden. Sieben Personen starben in Valzur unter den Schneemassen.
APA/Hans Klaus Techt
Bei wesentlich besserem Wetter als in den Tagen davor konnten die Piloten des Bundesheeres am 25. Februar wieder ihre Transportflüge aufnehmen. Unterstützt wurden sie dabei von Hubschraubern aus Deutschland, Frankreich und den USA. Für die großen Helikopter wurde ein Teil der Inntalautobahn (A12) gesperrt.
Offizielle Trauerfeier des Landes im Stift Wilten
Die Lawinen von Galtür und Valzur forderten insgesamt 38 Menschenleben, davon 31 in Galtür und sieben in Valzur. Verletzt wurden etwa 48 Personen, zwölf davon schwer. Am 28. Februar 1999 fand in der Stiftskirche von Wilten die offizielle Trauerfeier für die Opfer von Galtür und Valzur statt.
APA/Hans Klaus Techt
Massive Steinwälle sollen vor Lawinen schützen
Die Wunden von damals sind nach Überzeugung von Mattle weitgehend geschlossen. Den Ort schützten bereits seit der Jahrtausendwende unter anderem zwei große, starke Steinwälle. 2003 seien die Gästezahlen nach der lawinenbedingten Delle wieder auf dem üblichen Niveau gewesen.
Alpinarium Galtür/MAGHERITA SPILLUNTTINI
Das Unglück habe die Menschen im Ort zusammengeschweißt, so Mattle. Auch viele der Hinterbliebenen aus Deutschland, den Niederlanden und Dänemark suchten den Ort immer wieder auf. „Trotz oder gerade wegen des Unglücks sind viele Freundschaften entstanden.“