Novemberpogrome: Grausame Ausschreitungen

Vor 80 Jahren kam es im Deutschen Reich zu massiven Ausschreitungen und Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung. In Innsbruck wurden Häuser niedergebrannt und Menschen geschlagen, gedemütigt und bestialisch ermordet.

Die Novemberpogrome waren die Vorstufe zur spätereren Massenvernichtung der Juden. Beschönigend und verharmlosend wurden sie auch als „Reichskristallnacht“ von den Nazis bezeichnet. Auch in Innsbruck gibt es zahlreiche Spuren dieser grausamen Übergriffe.

„Baut mir dieses Haus und ich werde darin wohnen“, steht etwa über der Tür der jüdischen Synagoge in der Innsbrucker Sillgasse. Sie wurde 1993 neu eröffnet. Die alten Gebetsräumlichkeiten wurden im November 1938 von Innsbrucker SS-Schergen geplündert und verwüstet.

Gedenkstätten Innsbruck

ORF

Die Synagoge in Innsbruck musste nach der Pogromnacht neu errichtet werden

Innsbruck als „brutalste Stadt“

In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurde in Innsbruck so gut wie keine jüdische Familie von den Übergriffen und Attacken verschont. Im Bericht des Tiroler Sicherheitsdienstes der SS hieß es: „Falls Juden bei dieser Aktion keinen Schaden erlitten haben, dürfte dies darauf zurückzuführen sein, dass sie übersehen wurden.“

Neben der Synagoge und zwei Geschäften wurden damals in Innsbruck mindestens 36 Wohnungen überfallen. 38 Juden und Jüdinnen wurden zum Teil schwer verletzt, vier Menschen wurden auf sehr brutale Weise umgebracht. Sie wurden mit einem Stein erschlagen oder mit dem SS-Dolch barbarisch erstochen, erklärte der Historiker Horst Schreiber.

Die Brutalität sei angesichts weniger hunderter Juden in Innsbruck verglichen mit Städten wie Wien extrem gewesen. Zahlreiche Briefwechsel von damals geben einen Einblick in die Taten der SS-Soldaten - mehr dazu in Judenhatz: Innsbruck war brutalste Stadt.

Angriffe mit System

Die Angriffe wurden organisiert und von oben befohlen, die SS-Schergen hatten auch in Innsbruck Narrenfreiheit. Ein Eingreifen der Polizei wurde untersagt. Reichspropagandaleiter Goebbels rief damals in München zu den Pogromen auf, Gauleiter und SA-Führer erteilten daraufhin im gesamten Dritten Reich Befehle, jüdische Geschäfte zu zerstören, Synagogen anzuzünden und Wertgegenstände von Juden zu beschlagnahmen.

Szene der Pogromnacht Innsbruck

ORF

Das Ausmaß der Zerstörung war in Innsbruck groß

Der Tiroler Gauleiter Franz Hofer war bei Goebbels Rede in München, von dort aus versetzte er die SS und die SA in Tirol in Bereitschaft. Er gab den Befehl, dass sich die „kochende Volksseele gegen die Juden“ erheben müsse. Als er am Morgen des 10. Novembers in Innsbruck ankam, gab er einen direkten Mordbefehl aus. Daraufhin wurden eine Liste ausgehändigt, auf denen stand, welche Juden zu töten und welche jüdischen Familien zu überfallen waren, berichtete Horst Schreiber.

Vier Mordopfer ausgewählt

Die SS teilte sich in Gruppen auf, um mit dem klaren Mordbefehl vier Juden in Tirol umzubringen. Weitere Gruppen wurden ausgeschickt, um Wohnungen zu überfallen. Die Opfer wurden aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position ausgesucht. In der Gänsbacherstraße 5 im Parterre des Hauses wurde Wilhelm Bauer mit einem Messerstich in die Brust ermordet.

Im ersten Stock wurde Richard Graubart von hinten erstochen. Seine Mörder plünderten anschließend die Wohnung.In der Anichstraße 5 wurde Josef Adler niedergeschlagen, er erlag kurze Zeit später seinen Verletzungen.

Gedenkstätten Innsbruck

ORF

In der Anichstraße 13 wurde Bundesbahn-Oberbaurat a.d. Richard Berger von drei SS Männern aus der Wohnung geholt und mit dem Auto stadtauswärts Richtung Kranebitten gebracht. Im Untersuchungsbericht des Obersten Parteigerichts der NSDAP von 1939 stand dazu:

„An einer abgelegenen Stelle hinter Kranebitten hieß er den Juden aussteigen. Als dieser merkte, was ihm bevorstand, versuchte er, um Hilfe zu rufen. Er wurde daraufhin zu Boden gedrückt. Hopfgartner nahm einen großen Stein und schlug damit zweimal auf den Hinterkopf des Juden. Als Berger kein Lebenszeichen mehr von sich gab, warf man ihn über die Böschung in den Inn zurück.“

90 Täter waren offenbar an der Pogromnacht in Innsbruck beteiligt, ein Drittel davon blieb bis heute unbekannt. Etwa 30 Täter wurden zur Rechenschaft gezogen. Die meisten von ihnen wurden allerdings nur zu drei bis vier Jahren Haft verurteilt.

Höhere Strafen erhielten nur fünf Täter, die direkt an den Mordkommandos beteiligt waren. Sie fassten zehn bis 13 Jahre Haft aus, allerdings mussten sie nur ein paar Jahre wirklich hinter Gittern verbringen.

Menschen halten Transparent "...es kann wieder passieren"

ORF

2013, 75 Jahren nach der Pogromnacht in Innsbruck, fanden in Innsbruck zahlreiche Gedenkfeiern statt

Proteste gab es damals keine, auch die katholische Kirche äußerte sich damals nicht zu den Überfällen. Die Novemberpogrome waren der Beginn zur späteren Massenvernichtung des jüdischen Volkes.