Bewegendes Treffen: Die letzten Zeitzeugen

Verfolgt, geflüchtet und überlebt - die Geschichte des Innsbruckers Erich Weinreb ist erschütternd und spannend zugleich. Am Mittwoch besuchte eine Tiroler Delegation im Zuge einer Gedenkreise den rüstigen 90-Jährigen in Israel.

Vor 80 Jahren hat Erich Weinreb als zehnjähriger Bub allein mit seinem jüngeren Bruder die Flucht nach Israel angetreten. Mit dabei im Gepäck hatte der „Innsbrucker Bua“, wie er sich heute selbst noch nennt, auch seinen Totzen. Noch heute erinnert ihn dieser Kreisel, den damals die Kinder auf einem Groschenstück zum Tanzen bringen mussten, an eine eigentlich schöne Kindheit in Innsbruck.

„Plötzlich war ich eine kleine Judensau“

Avraham Gafni, wie er heute heißt, erinnert sich aber auch noch ganz genau an jenen Tag, an dem sich sein Leben von heute auf morgen völlig verändert hat. Es war im Jahr 1938 gegen Ende des Schuljahrs, als ein Lehrer die Klasse betrat und jeden einzelnen Schüler aufrief. Als er an der Reihe war, spielte sich Folgendes ab: "Erich Weinreb - da hamma so a kleine Judensau! Komm heraus! Es setzte eine brutale Ohrfeige und von diesem Tag an wollten bzw. durften seine Freunde auf offener Straße keinen Kontakt mehr mit ihm pflegen. „Nur heimlich im Stiegenhaus gab es noch Kontakt“, erinnert er sich.

Abraham Gafni

ORF

Abraham Gafni freute sich sehr über das Gastgeschenk der Tiroler Delegation und über den Besuch des Landeshauptmanns.

Der Großvater organisierte die Flucht

Erichs Mutter war früh gestorben, seinen Vater lernte er erst viel später kennen, deshalb wuchs er bei seinen Großeltern in der Defregger Straße auf. Nach dem Vorfall in der Schule organisierte der Großvater die Flucht für Erich und seinen Bruder Leopold. Schwester Gitta war mit sechs Jahren noch zu klein. Mit Schiffen ging es nach Israel, wo die beiden Kinder bei einer Familie ein neues Zuhause gefunden haben. Seitdem trägt er auch den Namen Abraham Gafni.

Fast alle Angehörigen wurden ermordet

Schon bald nach der Ankunft in Israel hat Gafni vom Tod fast aller seiner Verwandten erfahren. Wie sie umgekommen sind, wurde erst Jahrzehnte später bekannt. Seine Großeltern und seine Schwester wurden mit dem Zug nach Riga transportiert und dort erschossen.

Er selbst hat heute drei Töchter, acht Enkel und vier Urenkel und erfreut sich trotz seiner 90 Jahre noch bester Gesundheit. In Israel hat er eine neue Heimat gefunden, seine besten Freunde leben aber in Innsbruck, wohin er immer wieder gerne auf Besuch kommt. „I bin und bleib a Tiroler Bua“, betonte er zum Abschluss des Interviews mit ORF Tirol.

Stefan Lindner; tirol.ORF.at

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