Hüttenwirt und Opernfan Karl Senn ist 70

Als Gastwirt der Senn-Hütte in St. Anton am Arlberg hat Karl Senn viel erlebt. Er hat neben Promis auch Könige bewirten dürfen und stand in der Staatsoper Wien auf der Bühne. Jetzt feiert er seinen 70sten Geburtstag und hat viel zu erzählen.

Italienische Melodien voller Dramatik begeistern Karl Senn schon lange. Den meisten Leuten ist der Opernfan aber aus anderen Gefilden bekannt: beschürzt, meist bewaffnet mit Bierhumpen oder deftigen Mahlzeiten für seine Gäste und stets bereit für einen Plausch.

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Karl Senn vor seiner Hütte

Vom Priesteranwärter zum Gastwirt

Mit der Senn-Hütte schuf er sich vor über 30 Jahren seine eigene „Bühne“, inklusive Publikum. Dabei hatte das Nachkriegskind ursprünglich ganz anderes geplant: Senn wollte Pfarrer werden. Im Paulinum hielt er es allerdings nicht lange aus. „40 Jungs in einem Schlafsaal, strikter Tagesablauf, überall Regeln – dafür war ich zu viel Rebell,“ gesteht Senn schmunzelnd. Man habe ihn ausgemustert, zu Unrecht, wie er heute denkt.

Senn erkennt in St. Anton einen aufstrebenden Ski-Ort, der neue Infrastrukturen braucht und beschließt auf andere Art für das Seelenheil der Leute zu sorgen. Es folgen eine Gastronomielehre und Auslandsaufenthalte. Bei seiner Arbeit im Hotel Schwarzer Adler verliebt er sich in die Tochter des Hotelbesitzers. Die beiden heiraten und erbauen 1982 gemeinsam die Senn-Hütte.

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Steiniger Weg zum Erfolg

Leicht war der Weg zum Erfolg nicht. Schon im ersten Winter fehlt der Schnee. „Nur 500 Schilling Umsatz und 4 Mitarbeiter – ich hab gedacht, ich werd wahnsinnig.“ Irgendwann trudeln die Gäste trotzdem ein. Man hängt sich in die Arbeit. „Für mich hat das permanenten Einsatz bedeutet,“ erinnert sich Senn, „jeden Tag 12 bis 15 Stunden. An Spitzentagen haben wir 300 bis 400 Essen serviert. Aber wo ein Wille, da ein Weg.“

Senn startet Kooperationen mit Skivereinen. Zufällig lernt er auf einer Veranstaltung auch den Entertainer Dietmar Vonier kennen – genannt „Didi Diesel“. 16 Jahre lang wird Didi fixer Bestandteil der Senn-Hütte bleiben und damit die Après-Ski-Tradition mit Live-Musik begründen. Bei den Gästen kam das gut an. Bald war die Senn-Hütte ein gefragtes Ziel bei Touristen, Promis und sogar Königen.

Könige als Kunden

„Man muss den Beruf gerne machen und gern mit Leuten reden – hie und da ist aber auch ein Schnapserl wichtig,“ weiß der Wirt. Immerhin: 90 % der Besucher sind heute Stammgäste.

Mittlerweile darf Senn etliche Sportler wie Karl Schranz, Jürgen Melzer, Alex Antonic und Roger Federer zu seinen Gästen zählen. Außerdem pflegt er guten Kontakt zu Künstlern, wie etwa zum ehemaligen Direktor der Wiener Staatsoper Joan Holländer. Der weiß um Senns Opernbegeisterung und ermöglichte ihm sogar eine Statistenrolle an der Staatsoper: bei „Tosca“, als Pater verkleidet.

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Karl Senn als Pater in „Tosca“ (v.r.)

Aber auch Royals zieht es dann und wann auf die Senn-Hütte: Der britische König Edward war hier schon zu Gast und auch der König von Jordanien kommt gerne vorbei, wenn er nach Österreich reist.

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Senn mit dem König von Jordanien

„Die Kunst meines Vaters war immer die, dass er jeden Gast gleich behandelt hat,“ erinnert sich Markus Senn, der im elterlichen Hüttenbetrieb aufwuchs. „Da werden keine Extrawürste gebraten – auch nicht für Superpromis.“

Ein bisschen Spaß muss sein

Der Humor kam bei Karl Senn aber nie zu kurz. Nach dem Mauerfall, erinnert er sich, habe er Ostdeutsche Gäste gehabt und denen erzählt, er schaue nur zu den Hängen hinüber, weil dort sein Eiswein angebaut werde – dabei hat er eigentlich die Lawinenverbauung beobachtet. Die Gäste wollten den speziellen Wein probieren.

Senn hat ihnen kurzerhand Weißwein mit Sprite kredenzt. Als die Gäste am nächsten Tag erneut nach dem Wein verlangten, musste ihn der Kellner allein „mixen“ und hat die richtige Mischung verfehlt. Auf die skeptische Nachfrage der Gäste hin behauptet er kurzerhand, es sei bloß ein anderer Jahrgang. „Vermutlich glauben sie bis heute an die Weingeschichte,“ lacht Senn.

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Rekord: Über 100.000 Edelweiß-Blüten neben der Hütte

Geschadet hat der Schmäh dem Senn’schen Unternehmen nicht. Mittlerweile steht die Hütte, dank Sohn Markus und dessen Frau, im Guinessbuch der Rekorde für die meisten Edelweiß und ist Teil des Jakobswegs. Karl Senn freut das. Er hat schon seit längerer Zeit das Hüttenzepter aus der Hand gegeben. Immerhin ruft die Oper und die erlebt Senn auch mit 70 noch immer am liebsten persönlich vor Ort.

Julia Ecker