Die innere Uhr der Zellen zurückstellen

Operationen zur Behandlung von Übergewicht haben einen verjüngenden Effekt auf menschliche Körperzellen. Wie Innsbrucker Forscher herausfanden, kann dadurch der Tod der Zellen verschoben werden.

Markus Laimer und seine Forschungsgruppe der Medizinischen Universität Innsbruck untersuchten in ihrer Studie, welchen Einfluss und Folgen Operationen zur Bekämpfung des extremen Übergewichts - sogenannte bariatrische Operationen - bei Patienten haben. Dabei ging es den Forschern vor allem um die Länge der Telomere. Telomere sind vergleichbar mit Uhren, die das Alter der Zelle anzeigen. Ihre Länge ist allerdings nicht nur mit der Anzahl der Zellteilungen, sondern auch mit der Gesundheit des Organismus verknüpft. Eine gesunde Lebensweise geht dabei in der Regel mit langen Telomeren einher.

Telomere

Telomere sind die Enden der Erbgutfäden, sie ummanteln die Chromosomen. Dabei dienen sie als Schutzkappe, denn sie werden bei jeder Zellteilung ein Stückchen kürzer. Sind sie verbraucht, geht die Zelle in den kontrollierten Zelltod.

Das Forschungsteam der Medizinischen Universität Innsbruck konnte in einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt auf zwei Studien anderer Forschungsgruppen aufbauen. Eine davon stammt aus dem Jahr 1998 und untersuchte die Folgen von Operationen zur Bekämpfung des krampfhaften Übergewichts - etwa durch die Verkleinerung des Magens. Die Langzeitstudie umfasste 142 Patientinnen und Patienten und lief über zehn Jahren.

Mediziner

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„Es war damals eine sehr weise Entscheidung, die Patientinnen und Patienten langfristig zu verfolgen“, erklärte Mediziner Markus Laimer. Eine Kontrollgruppe aus nicht operierten, übergewichtigen Personen zusammenzustellen sei aus ethischen Gründen nicht möglich gewesen, denn diese Menschen nicht zu behandeln, sei nicht akzeptabel, so Laimer. Um dennoch Vergleichsdaten zu erhalten, analysierte Laimers Team die Daten von normalgewichtigen Personen aus einer anderen laufenden Studie.

Nicht linearer sondern wellenförmiger Prozess

Vor einigen Jahren hielt man die Verkürzung der Telomere für einen linearen Prozess, der einfach die Anzahl der Zellteilungen widerspiegele, sagt Markus Laimer: „Es gab die vorherrschende Meinung, dass die Telomere regelmäßig abgeschnitten werden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, wenn sie kurz genug sind, stirbt die Zelle.“

Das stimme so nicht mehr, erklärt der Forscher. Laimer fand heraus, dass die Zelluhren durch Operationen zur Reduktion des Körpergewichts nicht nur zum Stillstand kommen, sondern zum Teil sogar zurückgestellt werden. „Das Gesamtbild ist viel komplexer, als wir bisher dachten. In den letzten Jahren hat man gesehen, dass das ein mitunter wellenförmiger Prozess ist. Es gibt Hinweise, dass es sich um ein Wechselspiel zwischen Verkürzung und Verlängerung handelt.“

Positive Wirkungen durch chirurgische Eingriffe

„Für diese Eingriffe konnten bereits vielfältige positive Effekte auf Erkrankungen im Zusammenhang mit Übergewicht gezeigt werden. Es kommt dabei zu einem starken Gewichtsverlust, speziell in den ersten zwei Jahren“, sagt Laimer. Das gehe mit vielfältigen Effekten auf den Stoffwechsel einher, in Bezug auf Diabetes-Risiko, Blutwerte und Entzündungsneigung. „Diese Effekte scheinen sich auch auf die Telomerlänge auszuwirken“, erklärt Laimer weiter. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass die Länge der Telomere nach entsprechenden Operationen wieder zunahm, im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung.

Ältere Menschen sitzen auf einer Bank

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Es habe bereits Kurzzeitstudien gegeben, die eine Verkürzung der Telomere bei Übergewicht zeigten. Bei kurzfristiger Gewichtsabnahme über ein oder zwei Jahre habe es keinen Effekt gegeben, ebenso wenig wie bei Gewichtsabnahme-Versuchen mit Medikamenten oder über Ernährungsberatung über einen längeren Zeitraum.

„Wir konnten zum ersten Mal zeigen, dass bariatrische Operationen, im Gegensatz zu anderen Methoden zur Gewichtsreduktion, die Telomere langfristig beeinflussen, ja, sogar verlängern", fasst der Forscher die Ergebnisse zusammen. „Hier haben wir ein Ergebnis, das wirklich positive Effekte von Maßnahmen gegen Übergewicht an Menschen zeigt.“