Trostlose Zeit zwischen den Weltkriegen

Viele Tiroler Familien litten in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen Not. Die Spannungen dieser Zeit und der Verlust Südtirols trugen in Tirol ebenfalls dazu bei, dass die meisten Menschen die deutschen Truppen beim „Anschluss“ vor 80 Jahren bejubelten.

Der Leiter des Innsbrucker Stadtarchivs, Lukas Morscher, besitzt viele bisher unveröffentlichte Bilder aus dem Tiroler Alltag zwischen den beiden Weltkriegen. Es ist die Zeit, als Tirol Südtirol an Italien verlor. Es sei nicht nur ein Krieg verloren gegangen, so Morscher. Das Land sei geteilt worden, die Monarchie zu Ende gegangen und neue Regierungsformen gekommen. Es sei eine Zeit der Unklarheit gewesen.

Nach 1914 hätten die Menschen an einer permanenten Hungersnot gelitten. Nur die Bauern hatten das Notwendigste, sie arbeiteten mit einfachsten Mitteln und mussten die Ernte abliefern.

Bauern mit pferdebespanntem Heuwagen

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Die Bauern arbeiteten mit einfachsten Mitteln

Geschlagene Österreichische Soldaten kamen zurück und neue Mächte waren im Land. In den Straßen Innsbrucks patrouillierten italienische Soldaten, für die Österreicher waren sie der alte Feind. Sie hätten aber nicht ganz Tirol flächendeckend besetzt, sondern nur strategisch wichtige Orte, weiß Morscher.

Italienische Soldaten in Innsbruck

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Italienische Soldaten in Innsbruck

Sendungshinweis:

„Tirol heute“; 5.3.2018

Für den ORF-Schwerpunkt „1938|2018 Zeitzeugnisse“ hat sich Georg Laich mit dem Tiroler Alltag dieser Zeit auseinandergesetzt.

Meist bestimmte Hunger das Leben der Bevölkerung. Städter mussten zu Bauern pilgern und um horrende Preise illegal Kartoffeln besorgen. Die Lebensmittelrationen seien so minimal gewesen, dass man in den Quellen zweimal nachlesen muss, um sicherzugehen dass sie sich auf Wochen und nicht auf Tage beziehen, so Morscher. Gleichzeitig seien die landwirtschaftlich produktiven Gegenden plötzlich im Ausland gewesen. Geschwächte Menschen starben zu Tausenden an Krankheiten wie der Spanischen Grippe. Es habe auch eine sehr hohe Kindersterblichkeit gegeben, sagt Morscher.

Lukas Morscher

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Lukas Morscher

Politische Konflikte eskalieren

In den zwanziger Jahren verschärfte sich der Konflikt zwischen „links“ und „rechts“. Paramilitärische Verbände gewannen an Bedeutung. Der Tiroler Richard Steidle war der erste und prominenteste Führer der Heimwehr, die den Konservativen nahe stand. In Gegnerschaft dazu stand der sozialdemokratischen Schutzbund. Der Glaube daran, dass das klein gestutzte Österreich eine eigenständige Zukunft hat, fehlte in dieser Zeit. Es drohten auch Reparationszahlungen in unglaublicher Höhe, so Morscher. „Es gibt so viele Faktoren, die alle gegen Österreich sprechen, dass es nahe liegend ist, dass die Leute Schutz bei einer größeren Macht zu suchen versuchen.“

Hakenkreuzfahnen in der Maria Theresienstraße

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Hakenkreuzfahnen in der Innsbrucker Maria-Theresienstraße

Schon 1921 stimmte die Mehrheit der Nord- und Osttiroler für einen Anschluss an Deutschland. In Tirol war es vor allem der Verlust Südtirols, welcher die politische Diskussion beherrschte. Es gab Hoffnungen, das verlorene Land mit fremder Hilfe zurückzuerhalten, der Zug rollte Richtung Anschluss.

Heinz Mayer

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Heinz Mayer

Kleine Truppe wollte Hitler aufhalten

Der aus Tirol stammende Bundeskanzler Kurt Schuschnigg musste 1938 auf Druck Hitlers zurücktreten. In der Innsbrucker Hofburg wollte sich eine Gruppe von 70 bewaffneten Tirolern damit nicht abfinden. Die Kämpfer um den jüdisch-stämmigen Heinz Mayer wollten die Nazis aufhalten. In letzter Sekunde unterließen sie aber auf Befehl aus Wien einen Schusswechsel.

Der 1999 in Innsbruck verstorbene Mayer sagte, das sei vielleicht ein Glück gewesen, sonst hätte es wahrscheinlich etliche Tote gegeben und eine Abwehr des nationalsozialistischen Ansturms sei unmöglich gewesen. Tirol war das erste Bundesland, das an Hitlerdeutschland angeschlossen war.

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