20 Jahre Haft für Mord an zweifacher Mutter

Im Indizienprozess um den Tod einer zweifachen Mutter aus Wörgl haben die Geschworenen den angeklagten Schwiegervater am Freitag mit sieben zu eins Stimmen schuldig gesprochen. Er wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Mehrheit der Geschworenen sah es als erwiesen an, dass der damals 42-jährige Angeklagte am 2. Februar 2017 seine 26-jährige Schwiegertochter von der Arbeit abgeholt hat und in den darauffolgenden zwei Stunden auf unbekannte Weise ermordet hat. Zwei Monate nach ihrem Verschwinden wurde ihre Leiche bei Kirchbichl im Inn entdeckt – mehr dazu in Nach Leichenfund erneute Festnahme.

Kurzer Tumult vor dem Gerichtsgebäude

Nach der Urteilsverkündung gab es Applaus von den zahlreich angereisten Angehörigen des Opfers, was Richter Josef Geisler mit einem Ordnungsruf unterband. Auch in den Gesichtern der Angehörigen des Verurteilten waren weder Enttäuschung noch Tränen erkennbar. Dennoch kam es nach der Verhandlung zu einer lautstarken Auseinandersetzung der beiden Familien. Die Polizei konnte aber noch rechtzeitig einschreiten.

Tumult

ORF

Nach dem Prozess musste die Polizei vor dem Gerichtsgebäude kurz einschreiten

Keine nennenswerten Anzeichen für Suizid

Weder in der Beweisaufnahme noch während der Befragung der rund 20 Zeugen gab es neue Erkenntnisse, die nicht schon im Ermittlungsverfahren ans Tageslicht gekommen waren. So habe es keine nennenswerten Anzeichen dafür gegeben, dass sich Jennifer V. das Leben nehmen oder mit einem neuen Partner ein neues Leben beginnen wollte, so Staatsanwalt Florian Oberhofer in seinem Schlussplädoyer - mehr dazu in Mordprozess: Zeugen am Wort, Urteil erwartet.

Die Zeugen beschrieben die 26-Jährige als liebende Mutter, lebensfrohen Menschen, die sogar noch um ihre Beziehung kämpfte, obwohl sie den Verdacht hatte, dass sie ihr Ehemann betrügt. Mit ihm und der Familie ihres Bruders war wenige Tage nach ihrem Verschwinden ein gemeinsamer Skitag geplant. Weiters hatte sie Fahrstunden ausgemacht, und auch beruflich wollte sie sich verändern.

Mordprozess nach Tod der 26-Jährigen aus Wörgl

APA/EXPA/Johann Groder

Den Angeklagten, zwei Gutachter und rund 20 Zeugen hat Richter Josef Geisler in diesem Prozess befragt

SMS und Verhalten belasteten Angeklagten

Als erwiesen galt, dass der Schwiegervater Jennifer am 2. Februar gegen 18.00 Uhr von der Arbeit in Kundl abholte, rund zwei Stunden mit ihr in einem schwarzen Taxibus durchs Unterland fuhr und danach jegliche Spur von Jennifer fehlte. Das hat der Angeklagte aber erst zugegeben, nachdem die Ermittler ihn mit den ausgewerteten Handydaten konfrontiert hatten. Zuvor wollte er Jennifer an diesem Tag nicht gesehen haben.

Ebenfalls im Nachhinein zugeben musste der Angeklagte, dass er nach dem Verschwinden mit einem Prepaid-Handy zwei SMS an den Ehemann und die Mutter von Jennifer geschickt hat. Sinngemäß schrieb er darin im Namen von Jennifer, dass sie ein neues Leben anfangen wolle, dass es ihr gut gehe und sie niemand suchen solle. Der Angeklagte gab im Prozess an, seine Schwiegertochter habe ihn dazu beauftragt. Er sei ein Trottel gewesen, dass er das getan habe, sagte er auf Nachfrage des Richters Josef Geisler.

Verteidigerin und Staatsanwalt

ORF

Verteidigerin Eva Kathrein und rechts im Bild Staatsanwalt Florian Oberhofer

Angeklagter für Staatsanwalt unglaubwürdig

Für den Staatsanwalt waren die vom Angeklagten unmittelbar nach dem Verschwinden Jennifers geschriebenen SMS Beweis für die Schuld des Schwiegervaters. Er müsse gewusst haben, dass mit Jennifer etwas passiert sei, sonst ergäben diese SMS gar keinen Sinn.

Generell habe sich der Angeklagte während der Verhandlung noch in weitere Widersprüche verstrickt und absurde Erklärungen abgeliefert, so der Staatsanwalt. Schon im Ermittlungsverfahren habe er zuerst gelogen und erst nach vorliegenden Ermittlungsergebnissen immer wieder Tatsachen eingestanden. Nach dem Verschwinden Jennifers habe sich der Angeklagte nur damit beschäftigt, falsche Fährten zu legen. Für ihn bestehe deshalb kein Zweifel, dass der Schwiegervater der Mörder sei, so Oberhofer.

Auch Neffen mit SMS beauftragt

Belastet wurde der Angeklagte auch durch die Zeugenaussage eines Neffen. Diesen bestellte der Angeklagte nach einem Suizidversuch zwei Tage nach Jennifers Verschwinden ins Krankenhaus. Dort habe ihn sein Onkel aufgefordert, mit einem Prepaid-Handy eine SMS an Jennifers Ehemann zu versenden. Darin sollte er sich als türkischer Freund ausgeben und sinngemäß schreiben: „Such deine Schlampe nicht, bei Ala...“. Noch im Zeugenstand richtete der Neffe Worte an den Angeklagten. Er sei der Einzige, der Licht in die Sache bringen könne und solle das auch tun. Der Angeklagte reagierte nicht.

Mordprozess nach Tod der 26-Jährigen aus Wörgl

APA/EXPA/Johann Groder

An beiden Prozesstagen herrschte großes Interesse an dem Indizienprozess

Viele Gerüchte um familiäre Verhältnisse

Ebenfalls aus den Zeugenaussagen ging hervor, dass das Verhältnis zwischen Jennifer und ihrem Ehemann nicht mehr das beste war. So habe er eine Freundin gehabt, sei spielsüchtig gewesen, und deshalb habe Jennifer oft Geldsorgen gehabt, sagte deren Mutter beispielsweise aus. Ihr Bruder wiederum gab an, von Anfang an gegen die Hochzeit gewesen zu sein, weil die Familie des Ehemanns einem sehr konservativen serbischen Kulturkreis angehöre. Er hätte sich für seine Schwester ein freies Leben gewünscht, gab er an. Das hatte sie offenbar nicht, obwohl sich der angeklagte Schwiegervater doch sehr um sie gekümmert habe.

Im Raum stand auch, dass er mehr von seiner Schwiegertochter wollte und sogar eines der Kinder von ihm sei. Das wurde während des Prozesses allerdings nicht geklärt, der Angeklagte selbst verneinte das. Er blieb auch bei der Aussage, dass Jennifer in Brixlegg aus dem Taxibus ausgestiegen und dann auf ein schwarzes Auto zugegangen sei.

Verteidigung plädierte für Freispruch

Die Anwältin des Angeklagten stellte in ihrem Schlussvortrag nicht in Abrede, dass ihr Mandant des öfteren gelogen hatte. Viel erheblicher sei aber, dass es für den Schwiegervater faktisch kaum möglich gewesen sei, Jennifer zu ersticken. Der längste Stopp während der gemeinsamen Fahrt der beiden habe in Breitenbach sieben Minuten gedauert. In dieser Zeit hätte er nur schwer die junge Frau ersticken und in den Inn werfen können, so Eva Kathrein - noch dazu ohne jegliche Art von Verletzungen.

Zudem habe es im Zuge des Prozesses sehr wohl Entwicklungen gegeben, die auch alternative Szenarien zuließen. So habe sie sehr wohl in ihrer Arbeit einen Mann näher kennengelernt und ein zweites Konto gehabt. Weiters gebe es zahlreiche berechtigte Zweifel, dass der Angeklagte tatsächlich der Mörder sei. Sie plädierte für Freispruch, und auch der Angeklagte betonte abschließend, dass er Fehler gemacht habe, aber kein Mörder sei.

Todesursache konnte nicht restlos geklärt werden

Nach dem Auffinden der Leiche der jungen Frau im Inn wurde diese in der Gerichtsmedizin in Innsbruck obduziert. Laut Gutachterin wurden dabei weder knöcherne Verletzungen noch schwerere Weichteilverletztungen festgestellt. Leichtere Verletzungen hätten auf Grund des schlechten Zustands der Leiche nicht mehr festgestellt werden können. Auch eine zweite Obduktion in Graz brachte kein gesichertes Ergebnis über die Todesursache. Dem Gutachter zufolge sei ein Tod durch Ertrinken wahrscheinlich, aber nicht mehr gesichert feststellbar gewesen.

Trotz unklarer Todesursache und fehlendem Motiv waren sieben der acht Geschworenen von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Die Anwältin des Angeklagten legte Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde ein.

Stefan Lindner, tirol.ORF.at