EU geht erneut gegen sektorales Fahrverbot vor

Noch vor Inkrafttreten des sektoralen Fahrverbots auf der Inntalautobahn A12 will die EU-Kommission dagegen vorgehen. Sie will ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, weil das Fahrverbot eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Warenverkehrs darstelle.

Nach Informationen der bayrischen Tageszeitung „Münchner Merkur“ will die EU-Kommission wegen der Maßnahme, die auch das bayerische Transportgewerbe treffen würde, zum wiederholten Mal ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Dies geht aus einem Schreiben der EU-Kommissarin für Verkehr, Violeta Bulc, an den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hervor: „Nach eingehender Prüfung des Sachverhalts ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass auch die leicht abgeänderte Version des sektoralen Fahrverbots eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellt“, schreibt Bulc. „Sie hat daher beschlossen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich einzuleiten.“

Ein diesbezügliches Schreiben der EU Verkehrskommissarin Violeta Bulc sei bereits vergangene Woche nach Wien geschickt worden.

EU-Rechtsexperte: Vorgehen der EU vorauszusehen

Laut dem Tiroler EU-Rechtsexperten Walter Obwexer, der das Land in dieser Sache berät, sei dieses Vorgehen der EU vorauszusehen gewesen. Der einzige Vorwurf, den die Kommission Österreich mache, sei kaum begründet und bestehe allein darin, dass nicht alle weniger beschränkenden Maßnahmen „geprüft worden sein dürften“, so Obwexer. „Dies trifft allerdings nicht zu. Vielmehr wurden alternative Maßnahmen umfassend geprüft und wegen ihrer Ungeeignetheit oder fehlenden Realisierbarkeit ausgeschlossen“, so der EU-Rechtsexperte.

Obwexer rechnet nicht mit einer einstweiligen Verfügung gegen das Fahrverbot. Mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei in zwei bis zweieinhalb Jahren zu rechnen. Bei derzeitiger Rechtssprechung sei davon auszugehen, dass das sektorale Fahrverbot dem Unionsrecht entspreche und auch weiter angewendet werden könne.

Ingrid Felipe und Günther Platter bei Regierungs-Pressekonferenz

ORF

Ingrid Felipe und Günther Platter

Platter und Felipe zuversichtlich

Auch LH Günther Platter (ÖVP) zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Europäische Kommission von der Antwort Tirols überzeugen lassen werde. Die Vorgangsweise und Argumentation der Europäischen Kommission ist für Tirols Landeshauptmann nicht nachvollziehbar.

LH-Stv.in Ingrid Felipe (Grüne) zeigte sich ebenfalls zuversichtlich: „Wir werden noch einmal genau darlegen, warum die Notbremse für leicht vermeidbare Lkw-Fahrten sein muss. Ich glaube, die Europäische Kommission wird unser sektorales Fahrverbot letztlich konsistent mit dem Verfahren gegen die Republik wegen schlechter Luftwerte behandeln. Wer A sagt, muss auch B sagen.“

Sektorales Fahrverbot

Das Fahrverbot gilt für Lastkraftwagen, die bestimmte Güter befördern. Mit dieser Maßnahme sollen 200.000 Lkws pro Jahr auf die Schiene verlagert werden.

Fahrverbot soll Luft besser machen

Mit dem sektoralen Fahrverbot soll die Luft entlang der Inntalautobahn besser werden, so das Ziel. Die durch den Luftschadstoff Stickstoffdioxid verursachten Immissionsbelastungen sollen deutlich reduziert werden, heißt es in der Verordnung zum sektoralen Fahrverbot. Das Verbot diene damit auch dem Schutz der Gesundheit der Bürger: Mitte Mai erließ das Land Tirol die entsprechende Verordnung - mehr dazu in A12: Sektorales Fahrverbot für Lkws kommt

Wirtschaftskammer fordert Alternativen

Die Tiroler Wirtschaftskammer hat am Donnerstag erneut Alternativen zum sektoralen Fahrverbot gefordert. Die Klage habe Österreich aus Sicht der WK „durch mangelnde Informationen an die EU selbst verschuldet“. Denn das Umweltministerium sei „verpflichtet“, bei Überschreitungen der EU-Grenzwerte die Kommission über die Maßnahmen zu informieren und regelmäßig über deren Erfolge zu berichten, argumentierte Tirols WK-Präsident Jürgen Bodenseer in einer Aussendung am Donnerstag: „Österreich hat diese Meldungen in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt, sodass die Kommission letztlich das Verfahren eingeleitet hat“.

Das sektorale Fahrverbot bringe „nur sehr geringe Verbesserungen“ bei den Schadstoffen, sei aber ein massiver Eingriff in den Warenverkehr. Zudem ziele es fälschlich auf das geladene Gut und nicht auf die Emissionen des jeweiligen Fahrzeuges ab. Die WK Tirol fordert stattdessen Maßnahmen wie eine Fortführung der „erfolgreichen und wirksamen Umrüstförderung für Lkw“ sowie eine Verschrottungsprämie für Alt-Pkw.

Auch Einwände aus Südtirol

Die Handelskammer Bozen will ebenfalls gegen das sektorale Lkw-Fahrverbot auf der Inntalautobahn Rekurs einlegen. Das kündigte Handelskammerpräsident Michl Ebner Anfang Juni in einer Aussendung an - mehr dazu in Rekurs gegen sektorales Fahrverbot.