Nicht-Sitzenbleiben hat nicht nur Vorteile

Das Aus für Sitzenbleiben kommt 2017 an allen österreichischen Schulen. An drei Tiroler Schulen ist die „Ehrenrunde“ bereits Geschichte. Schülervertreter sehen das Modell des Nicht-Sitzenbleibens kritisch.

Mit der neuen Semesterregelung zählt jedes Semester als kleine, abgeschlossene Einheit. Wer im ersten Semester in einem Fach negativ ist, muss eine Prüfung absolvieren. Bis zu drei Fünfer pro Semester können in dieser Form bis zur Matura mitgenommen werden. Spätestens dann müssen die Prüfungen positiv abgeschlossen sein.

In der Praxis führt das zu ungeahnten Problemen: Am BRG Reithmann steht ein Schüler kurz vor der Matura. Neun Feststellungsprüfungen hat er durch die Semesterregelung seit der sechsten Klasse mitgeschleppt. Er schafft die Prüfungen nicht. Darf nicht zur Matura antreten. Er muss in die sechste Klasse zurück, zwei Jahre Schulausbildung – umsonst.

Pressesprecher der Tiroler Schülerunion Lukas Volderauer

Schülerunion Tirol

Pressespecher der Schülerunion, Lukas Volderauer, sieht starken Verbesserungsbedarf.

Keine Notenverbesserung im zweiten Semester

Der geschilderte Fall ist laut Schülervertreterin Hannah Beer vom BRG Reithmann nur einer von vielen an ihrer Schule. Grundsätzlich fände sie es gut, dass es kein Sitzenbleiben mehr gäbe, doch es müssten dringend Veränderungen her. Besonders problematisch sehe sie es dabei, dass bereits ein Fünfer im ersten Semester zu einem sogenannten „Kolloquium“, einer Feststellungsprüfung oder Wiederholungsprüfung im herkömmlichen Sinn, führt. „Durch die Semesterregelung geht die Chance verloren, sich im zweiten Semester eine negative Note auszubessern.“

Starker Verbesserungsbedarf

Ganz schwarz sieht der Pressesprecher der Schülerunion, Lukas Volderauer, die Sache trotzdem nicht. „An den Schulen, an denen die Schulversuche stattfinden, konnten sich immerhin 30 Prozent der Schüler die negativen Noten bis zur Matura ausbessern“, zieht er Bilanz. Trotzdem bestehe starker Verbesserungsbedarf. Volderauer hat auch eigene Erfahrungen mit der Semesterregelung, ist er doch Schulsprecher der HBLA Ferrarischule, an der bereits seit 2008 der Schulversuch stattfindet.

Schularbeiten-Note ident mit Zeugnisnote

„Die Zeugnisnote basiert zum größten Teil auf einer einzigen Schularbeit im Semester. Eine Ausbesserung ist praktisch nicht möglich“, kritisiert Volderauer das derzeitige Beurteilungssystem. Hannah Beer stimmt zu, es sei eine „Eintagesbeurteilung“. Deshalb wünschen sich die Schülervertreter mehr praktisches Arbeiten in Form von Projekten. „Dadurch können die Noten ausgebessert werden und für die Lehrer wäre es zugleich Bestätigung und Feedback: Was haben die Schüler von meinem Unterricht mitgenommen?“

Wo sind die versprochenen Förderkurse?

Die Politik erwartete sich von den Schulversuchen vor allem Leistungssteigerung durch mehr individuelle Förderungen. Für Begabte ebenso wie für Schüler mit Schwierigkeiten. Auch von einer „Geldbörsenentlastung“ für die Eltern war die Rede, weil Nachhilfe nicht mehr notwendig sein sollte. An den beiden Schulen gibt es allerdings bisher keine dieser Förderungen. Die Nachhilfe ist dafür oft schon nach dem ersten Semester unumgänglich.

„Unfertiges“ System

Die Schülervertreter sehen die derzeitige Semesterregelung noch als unausgereift. „Die Idee ist gut, die Umsetzung schlecht“, ziehen sie Bilanz. Deshalb fordert Lukas Volderauer eine rasche Verbesserung der oben genannten Schwächen.

Zwar habe es bereits 2011 eine maßgebliche Reform gegeben, diese soll aber nicht die einzige gewesen sein. Vor allem im Bereich der Information sieht der Schülervertreter großen Handlungsbedarf: „Viele Lehrer und Schüler werden einfach ins kalte Wasser geworfen!“ Durch umfassendere Information könnten 2017 Schüler und Lehrer ohne Zweifel und Ängste in das neue Bildungssystem einsteigen, so Volderauer.