Nazis „erfanden“ Gemeindegutenteignung

Liste Fritz und Grüne haben am Donnerstag Dokumente vorgelegt, wonach die Übertragung von Gemeindegut an Agrargemeinschaften in der Nazizeit erfunden worden sei. 123 „agrarische Operationen“ haben demnach in Osttirol begonnen. Die Methodik sei dann in ganz Tirol angewandt worden.

Von den 123 „agrarischen Operation“ seien 113 vor dem Jahr 1945 innerhalb von vier Jahren „erfolgreich“ abgeschlossen worden, sagte Ulrich Stern, unabhängiger Gemeinderat in der Gemeinde Mieming. Stern hatte die Dokumente laut eigenen Angaben unter anderem durch eine „Recherche im Kärntner Landesarchiv“ gefunden. Eine „fliegende Kommission zur Klärung der Waldnutzungsrechte“ sei damals durch den Bezirk Lienz gereist. „Im Dreistundentakt“ sei den Gemeinden daraufhin das Gemeindegut genommen worden, schilderte Stern.

Portrait Ulrich Stern

ORF

Der unabhängige Mieminger Gemeinderat Ulrich Stern. Er hat die brisanten Dokumente gefunden.

Nazis hatten leichtes Spiel

Sterns Meinung nach haben die Nazis mit den Gemeinden leichtes Spiel gehabt. Die Bürgermeister und andere Funktionäre seien nicht gewählt, sondern von den Nationalsozialisten eingesetzt worden. Es wären vorwiegend Bauern gewesen, die selbst durch die Enteignung profitiert hätten. Die nach Zögern auf Linie gebrachte Gemeindeaufsicht und die Agrarbehörde hätten die politische Willkür letztlich umgesetzt.

Stern: „Können Unrecht jetzt nachweisen“

Nunmehr seien „sämtliche bisherigen Statistiklisten obsolet“, denn man müsse zu den rund 250 Gemeindegut-Agrargemeinschaften jetzt die 123 Osttiroler Fälle hinzuzählen, sagte Stern. Dadurch habe man nun eine „völlig neue Dimension dieses Agrargemeinschaftsunrechts nachweisen“ können, meinte er. Der Fund der Unterlagen sei gleichzusetzen mit dem „Fund eines Missing-Links in der Archäologie“, erklärte LAbg. Andreas Brugger von der Liste Fritz.

Land Tirol habe Nazi-Praktik übernommen

Das Land Tirol habe diese „bewährte Betriebsanleitung“ nach 1945 nahtlos übernommen, um gesetzeswidrige Regulierungen in ganz Tirol durchzuführen, kritisierte der Klubobmann der Grünen, LAbg. Georg Willi. „Warum wurde das Gemeindegut in Osttirol nicht restituiert?“, fragte der Klubobmann. Man erwarte sich nun eine „entschlossene Wiedergutmachung“, die Gründe sollen an die Gemeinden zurückgehen, verlangte zudem Brugger. Weiters sollen die Übertragungen in Osttirol in den Anwendungsbereich der Agrarnovelle einbezogen werden.

Liste Fritz und Grüne fordern Wiedergutmachung

Im Lichte der nun aufgetauchten Dokumente müsse es zu einer „schnelleren und entschlosseneren Vorgangsweise in der Gemeindegutsfrage“ kommen, entsprechende Landtags-Initiativen der Opposition sollen endlich umgesetzt werden. „Mittelfristig muss das gesamte atypische Gemeindegut samt dem daraus erwirtschafteten Vermögen an die Gemeinden rückübereignet werden“, forderte Willi.

Am Mittwoch machte Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf Druck in Sachen Agrargemeinschaften. Mit einem neuen Gutachten forderte er die Rückführung des Agrargemeindebesitzes an die Gemeinden - mehr dazu in Agrar: Schöpf macht weiter Druck.