Viele Gründe für niedrige Wahlbeteiligung

Die mit 52,3 Prozent niedrigste Wahlbeteiligung seit 1945 bei der Innsbruck-Wahl bereitet Politikern Kopfzerbrechen. Experten stellen die Frage der Berechtigung von Regierungen bei derart wenigen Wählern.

Bei der Innsbrucker Bürgermeister- und Gemeinderatswahl wurde nach dem vorläufigen Endergebnis inklusive Briefwahl mit 52,3 Prozent ein historischer Tiefststand verzeichnet.

Junge blieben der Wahl fern

Junge Wähler konnten von der Politik in Innsbruck offenbar nicht angesprochen werden – das betrifft nicht nur die 16- und 17-Jährigen, die in Innsbruck erstmals wählen durften. So hatten die Wahlsprengel mit einem besonders hohen Anteil von unter 30-Jährigen laut Statistikamt der Stadt die schwächste Wahlbeteiligung. Dort übten nur noch 42 Prozent ihr Wahlrecht aus, trotz der Auswahlmöglichkeit von neun Listen und „neuen“ Wählerangeboten wie dem der „Piratenpartei“.

Sprengel mit einer älteren Bevölkerung hatten dagegen eine höhere Beteiligung, hier wird das Wählen vielleicht als eine Art Bürgerpflicht gesehen.

Mehr EU-Bürger wahlberechtigt

Zum Teil lässt sich die schwache Wahlbeteiligung in Innsbruck auch durch eine Ausweitung der Wahlberechtigten erklären. Wählen durften erstmals alle EU-Ausländer, die in Innsbruck ansässig sind, und nicht nur wie bei der Wahl 2006 jene, die sich aktiv in die Wählerlisten eintragen ließen und damit politisches Interesse bekundet hatten. Möglicherweise war bei den automatisch stimmberechtigten EU-Ausländern das Interesse an der Stadtpolitik geringer. Die Gruppe der EU-Ausländer ist mit mehreren Tausend deutlich größer als jene der jugendlichen Wahlberechtigten.

Keine parteiübergreifende Kontroverse

Politikwissenschafter erklären die niedrige Wahlbeteiligung auf verschiedenen Ebenen: Zum einen habe sich das Interesse auf das Kopf-an-Kopf-Rennen im bürgerlichen Lager reduziert, was möglicherweise in anderen Lagern die Wähler-Mobilisierung erschwert habe, sagte der Politologe Peter Filzmair im ORF-Gespräch. Zum anderen fehlten kontroversielle Themen im Wahlkampf - wie z.B. Bauprojekte. Generell war der Wahlkampf personen- und nicht inhaltsorientiert, analysierte Universitäts-Professor Ferdinand Karlhofer von der Uni Innsbruck.

Er ortet außerdem nicht nur eine Politikverdrossenheit, sondern eine zunehmende Distanz zu Politik vor allem bei Jungen, die durch den politischen Diskurs gar nicht mehr erreicht würden. Hier handle es sich nicht um eine Gruppe, die sich von der Politik abwende, sondern sich von der Politik gar nie angesprochen fühlt, so Karlhofer.

Filzmair: Politische Verdrossenheit

Dass nur jeder zweite Wahlberechtigte am Sonntag in Innsbruck seine Stimme abgab, sei Ausdruck einer Politikverdrossenheit und ein Alarmzeichen, erklärte der Politikwissenschafter Peter Filzmair. Innsbruck bilde das Schlusslicht unter den österreichischen Landeshauptstädten.

Auch der Ausgangswert mit 57 Prozent sei schon sehr gering gewesen. Filzmair sagte weiter, es gebe Länder, in denen Wahlen mit einer Beteiligung um die 50 Prozent ungültig seien. „Da müsste man die Politiker in Innsbruck zurück an den Start schicken, weil sie zu wenige angesprochen haben“, so Filzmair.

Unterschiede nach Wohngebieten

Aus der Statistik der Stadt Innsbruck geht auch eine verschieden hohe Wahlbeteiligung nach Wohngebieten hervor. Demnach war das Interesse in sogenannten „besseren“ Wohngebieten mit hohem Akademikeranteil, hoher Selbständigenquote, vielen Ein- und Zweifamilienhäusern sowie in Stadtteilen mit vielen Sozialwohnungen höher als im Schnitt. Am niedrigsten war die Wahlbeteiligung in Vierteln im Zentrum mit hohem Studentenanteil.

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