128 NS-Opfer kamen an Innsbrucker Anatomie

Die Anatomie in Innsbruck ist nicht Teil des NS-Regimes gewesen, profitierte aber davon. Das ist das Ergebnis eines noch nicht beendeten wissenschaftlichen Aufarbeitungsprojekts. Am Dienstag wurden erste Details präsentiert.

Heute kommen an die Innsbrucker Anatomie ausschließlich Körper von Menschen, die sich zu Lebzeiten dafür entschieden haben. In der Historie war das nicht immer so. Vor allem zum Tode verurteilte Personen wurden in früheren Zeiten anatomischen Instituten zur Verfügung gestellt. Während des dritten Reichs ging die Zahl der vom Regime getöteten Menschen rasant nach oben. Nach einem gewissen Schlüssel wurden Leichname an Anatomien vergeben - eben auch nach Innsbruck, erklärt der Medizin-Historiker Herwig Czech.

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Die beiden Studienautoren Herwig Czech (Uni Wien) und Erich Brenner (Anatomie Innsbruck) mit der Direwktorin der Anatomie Helga Fritsch

Leichenbücher als wichtige Quelle

Czech hat gemeinsam mit Initiator Erich Brenner von der Anatomie Innsbruck das Aufarbeitungsprojekt vorangetrieben. Als Grundlage dafür dienten sogenannte Leichenbücher, in denen die Herkunft der Körper zumindest zum Teil dokumentiert ist, so Brenner. Nach intensiven Recherchen konnte rekonstruiert werden, dass Körper von 128 Menschen an die Anatomie Innsbruck gebracht wurden, die direkt oder indirekt Opfer des NS-Regimes wurden. Sie wurden ausschließlich für die Lehre verwendet, heißt es.

Viele Opfer aus München-Stadelheim

59 der Opfer waren Menschen, die im Gefängnis München-Stadelheim hingerichtet wurden, 39 getötete russische Kriegsgefangenen kamen ebenfalls an die Anatomie Innsbruck; ebenso 20 Menschen die in der Psychiatrie in Hall verstorben sind. Ob es sich hierbei um Euthanisie-Opfer handelt, konnte allerdings nicht verfiziert werden, heißt es.

Sieben Opfer jüdischer Herkunft wurden ebenso dokumentiert. Unter ihnen Theresia Reich aus Meran, die am Weg ins Konzentrationslager in Innsbruck verstorben war. Ebenso unter den Opfern waren ein junger polnischer Zwangsarbeiter und zwei Menschen, die der Wehrmachtsjustiz zum Opfer gefallen waren, heißt es.

Suche nach Angehörigen und würdiges Gedenken

Bisher ist es laut Brenner gelungen, mit Angehörigen von zwei Opfern Kontakt aufzunehmen. Über die russische Botschaft und über Datenbanken wird versucht, weitere Angehörige zu finden. Auch die Veröffentlichung der Namen der Opfer könnte dazu beitragen, hoffen die Projektautoren.

Weiters gilt es, die 4.000 Stück umfassende Sammlung an anatomischen Präparaten auf deren Herkunft zu überprüfen. Man gehe davon aus, dass einige wenige noch von Opfern des NS-Regimes stammen könnten, so Brenner. Nach Abschluss aller weiteren Untersuchungen werde eine würdige Form des Gedenkens installiert, in welcher Form stehe noch nicht fest, so Helga Fritsch, Direktorin der Anatomie Innsbruck. Man sei hier in enger Absprache mit dem Land Tirol, dem russischen Konsulat und der Isrealitischen Kultusgemeinde.

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