Essstörungen: Betroffene immer jünger

Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter Essstörungen wie Magersucht, Bulimie oder Fresssucht. Beim 5. internationalen Kinder- und Jugendpsychiatrie-Kongress, der ab Freitag in Innsbruck stattfindet, steht das Thema Essstörungen im Mittelpunkt.

2.100 Kinder und Jugendliche von insgesamt 140.000 in Tirol leiden unter Essstörungen. Erschreckend ist, dass die Betroffenen immer jünger werden. Achtjährige Mädchen werden bereits an der Jugendpsychiatrie in Hall behandelt, berichtet Kathrin Sevecke. Auch männliche Jugendliche sind betroffen, die würden sich aber nicht melden, so die ärztliche Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Da bestehe Aufholbedarf.

Erste Anzeichen erkennen

Meist treten Essstörungen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren auf. Eltern sollten auf erste Anzeichen achten. Wenn Jugendliche etwa übermäßig viele Situps am Tag machen oder auch Gymnastik, dann könnte das ein erstes Warnzeichen sein, so Sevecke.

Essstörungen seien häufig nur die Folge von tiefer liegenden psychischen Erkrankungen und einem geringen Selbstwertgefühl. Der in den Sozialen Medien verherrlichte Schönheits- und Schlankheitswahn sei nur eine Ursache, so Sevecke, familiäre und genetische Faktoren würden auch eine Rolle spielen.

Zwangsernährung gibt es nicht mehr

So komplex die Ursachen für eine Essstörung sein können, so komplex sei auch die Therapie, so die Expertin. „In der Praxis hat sich ein interdisziplinäres Behandlungskonzept bewährt – bestehend aus Psychotherapie (Einzel und Gruppe), Kunsttherapie, Tanztherapie, Physiotherapie, Sozialarbeit, Ergotherapie, Ernährungstherapie, Reittherapie und gruppenpädagogischen Angeboten wie Ausflügen“, führt Sevecke aus.

Zwangsernährung gäbe es jedenfalls schon längst nicht mehr. Ziel sei es, PatientInnen einen normalen und gesunden Umgang mit Mahlzeiten zu vermitteln und ein Kalorienzählen zu vermeiden. In Hall gibt es sechs Therapieplätze, die Warteliste ist lang.

Heilungschancen sind relativ gut

Die Heilungschancen bei Essstörungen seien gut, doch leider kommt es auch zu Rückfällen. „Im Klinikalltag können sich die PatientInnen oft auf ausreichendes und regelmäßiges Essen einlassen. Im Alltag zuhause fallen die Patienten und Patientinnen aber manchmal wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Deshalb werde mittlerweile auch ein Nachsorgeprogramm angeboten. Im letzten Jahr wurden 27 Patientinnen in Hall umfassend behandelt. Nur vier sind rückfällig geworden.

Je früher die Erkrankung erkannt wird und je klarer die Bezugspersonen im Umgang damit sind, umso besser lässt sie sich behandeln. Bereits bei den ersten Anzeichen sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. „Wenn der oder die Betroffene schnell Gewicht verliert, Essen versteckt, die Nahrungsaufnahme in Gesellschaft verweigert und vermehrt Sport betreibt, könnte das auf die Entwicklung einer Essstörung hinweisen“, warnt Sevecke.