Mit Karte von Almosen „freikaufen“

„Neujahrsentschuldigungskarte“: Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich ein Tiroler Brauch aus dem 19. Jahrhundert. Mit der Karte konnte sich die reichere Bevölkerung vom Almosengeben freikaufen. Mancherorts wird der verloren gegangene Brauch wieder aufgegriffen.

In Sterzing werden seit einigen Jahren Künstler von der Stadt mit der Gestaltung der Neujahrsentschuldigungskarten beauftragt, und die Billets werden dann für den guten Zweck verkauft. Heuer hat sie der 89-jährige Tiroler Künstler Ernst Tribulaun gestaltet.

Ernst Tribulaun

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Ernst Tribulaun malt in Obernberg am Brenner

Die Neujahrsentschuldigungskarte für 2018 zeigt das Wahrzeichen Sterzings, den Zwölferturm. Mit den für ihn typischen farbenfrohen Pinselstrichen will Ernst Tribulaun Optimismus für das Neue Jahr verbreiten.

Entschuldigungskarte 2018

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Die Sterzinger Neujahrsentschuldigungskarte für 2018

Ernst Tribulauns Karte für Neujahr reiht sich in eine alte Tiroler Tradition. Vor 200 Jahren gab es in Tirol erstmals Neujahrsentschuldigungskarten. Davon zeugt die Sammlung im Ferdinandeum in Innsbruck. In der Bibliothek des Museums werden 2.500 Karten aus 60 Tiroler Gemeinden aufbewahrt.

Bibliothek ferdinandeum

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Die Bibliothek im Ferdinandeum

Karte ersetzt „milde Gabe“

Die Karten waren eine beliebte Möglichkeit für Reiche und Wohlhabende, sich von Almosenbitten zu befreien. Denn wer eine Karte kaufte, spendete für Armenhäuser und war damit von der christlichen Pflicht der finanziellen Nächstenliebe enthoben. Manchmal wurden die Karten auch an die Haustür geheftet, um ungebetenen Gästen und Bettlern mitzuteilen: „Wir haben bereits gespendet. Wir geben nichts!“

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Karten schlichte Drucke mit Ornamenten, später wurden die Neujahrsentschuldigungskarten größer und farbig. Die Zeichnungen sind ein Spiegel ihrer Zeit, zeigen historische Szenen oder sakrale Motive. Mit dem Ersten Weltkrieg verschwanden sie allmählich.

Entschuldigungskarten

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Entschuldigungskarte aus dem 19. Jahrhundert

Inzwischen haben einige Tiroler Gemeinden den Brauch in die Gegenwart geholt.

Sterzing hat alten Brauch wiederbelebt

In Sterzing hat die Karte zu Neujahr schon fast wieder Tradition. Angefangen mit Paul Flora, werden seit 1997 jedes Jahr zeitgenössische Künstler mit der Gestaltung beauftragt. Der Verkaufserlös geht an die sozialen Vereine der Stadt. Viele Sterzinger Bürger sind inzwischen begeisterte Sammler der handsignierten Kunstdrucke.

entschuldigungskarten Sterzing

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Südtiroler Künstler gestalten die Karten für Sterzing