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Kunst und Kirche

Schweineherz und Gewehre in der Kirche

Während der Fastenzeit sind Werke von zeitgenössischen Künstlern in drei Innsbrucker Kirchen zu sehen. Die prunkvollen Altäre werden normalerweise mit violetten Tüchern verhüllt, um auch mit den Augen zu fasten. Die aktuellen Kunstwerke thematisieren Krieg und Leid und sollen zur Diskussion einladen.

Vor dem Hochaltar der Innsbrucker Spitalskirche hängt ein Foto mit einem stark vergrößerten Schweineherz, das dem menschlichen Organ bekanntlich sehr ähnlich ist. Dem steirischen Medienkünstler Peter Garmusch geht es um das Wechselspiel zwischen der Weite des Herzens und dem eingeengt Sein. Die Aussage wird durch ein Gummiband verstärkt, das das Herz einschnürt.

Fotostrecke mit 5 Bildern

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Eine Fotoarbeit von Peter Garmusch hängt während der Fastenzeit vor dem Hochaltar der Innsbrucker Spitalskirche.
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Das einschnürende Gummiband soll ein Gefühl von Beklemmung erzeugen.
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Die Innsbrucker Spitalskirche
Peter Garmusch, Künstler
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Der Medienkünstler Peter Garmusch
Spitalskirche Innsbruck
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„Schwer verdauliche“ Kunst

Für einige Gläubige ist der Anblick der blutigen Darstellung, die den Hochaltar verdeckt, nur schwer verdaulich. Ihren Unmut hat der Künstler bereits kurz nach dem Aufhängen der Fotoarbeit zu hören bekommen. Doch Wunden und blutende Herzen sind nichts Ungewöhnliches in der christlichen Ikonographie. Peter Garmusch vergleicht seine Arbeit mit der bekannten, von Dornen umwundenen Darstellung des Herzen Jesu.

Eisenberger
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Christian Eisenberger hat drei riesige, hölzerne Maschinengewehre im Innsbrucker Dom zu einer „Feuerstelle“ arrangiert.

Kunst-Raum-Kirche

Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich die Kunsthistorikerin Elisabeth Larcher für die Präsentation von zeitgenössischer Kunst in Tiroler Kirchen. Bis in das 19. Jahrhundert sei die religiöse Kunst meist aktuell gewesen, doch durch der Bruch der Moderne habe sich das geändert, so Larcher.

Mit ihrem kürzlich verstorbenen Ehemann, dem Theologen Gerhard Larcher, hat sie 2001 den Arbeitskreis „Kunst-Raum-Kirche“ gegründet und zahlreiche hochkarätige Ausstellungen gestaltet.

Eisenberger
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Auf einem Video lässt Eisenberger die Gewehre in Flammen aufgehen – eine Wunschvorstellung.

Im Innsbrucker Dom ist in der Fastenzeit eine Arbeit des steirischen Künstlers Christian Eisenberger zu sehen.

Ein „heiliger“ Krieg?

Christian Eisenberger hat drei monumentale Kalaschnikows aus geflämmtem Holz zu einem Lagerfeuer zusammen gefügt. Auf einem Video lässt er die Waffen in Flammen aufgehen. Die Arbeit sei vielfältig interpretierbar, sagt Elisabeth Larcher.

Für sie persönlich reiche die Aussage von der Diskussion, ob die Tiroler Schützen Kirchenräume mit ihren Waffen betreten dürfen bis zur Haltung des russisch orthodoxen Patriarchen gegenüber dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. „Wenn der russisch orthodoxe Patriarch Kyrill sagt, der Krieg gegen die Ukraine sei heilig, dann frage ich mich, wo wir stehen“, ruft Larcher zum Nachdenken auf.

Dr. Elisabeth Larcher, Kunsthistorikerin
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Die Kunsthistorikerin Elisabeth Larcher setzt sich seit Jahren für die Präsentation von zeitgenössischer Kunst in Tiroler Kirchen ein.

Domprobst Florian Huber erkennt auch im Material der Gewehr-Installation eine Botschaft. Wer das geflämmte Holz angreift, mache sich die Hände schmutzig. „Wie lange kann man der Gewalt zusehen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen“, fragt Huber.

Gewaltdarstellungen in der Kirche

Gegenüber der Gewehr-Skulptur von Eisenberger befindet sich das Grabmal von Maximilian III aus dem 17. Jahrhundert im linken Seitenschiff des Innsbrucker Doms. Die Bronzeskulptur zeigt den Landesfürsten knieend und mit seinem Schwert an der Seite. Waffendarstellungen sind auch auf den Märtyrerbildern von Sebastian bis Katharina omnipräsent. Krieg und Gewalt werden in den Kirchenräumen keineswegs ausgespart, betont Domprobst Huber.

Florian Huber, Probst, Dom, Innsbruck
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Probst Florian Huber zeigt in der Fastenzeit aktuelle Kunst im Innsbrucker Dom.

Hirtenstab aus Eierschalen

Als friedliches Pendant platziert Eisenberger einen aus Eierschalen zusammengesetzten Hirtenstab im Altarraum. Das Ei sei ein christliches Symbol für die Auferstehung, das Material sehe er auch als Zeichen für Zerbrechlichkeit. „Wir leben in einer zittrigen Welt, der wir mit Zittern begegnen“, sagt der Künstler. „Durch das Zittern würde der Mensch aber auch Körperwärme erzeugen“.

Christian Eisenberger
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Für den Hochaltar der Innsbrucker Servitenkirche hat Eisenberger ein modernes Fastentuch gestaltet.

Comicartige Klagebilder von heute

Das Thema Gewalt zieht Christian Eisenberger weiter. Eigens für den Hochaltar der Innsbrucker Servitenkirche hat der Künstler einen modernen Totentanz gestaltet, der unter die Haut geht. Vor erstarrten Lebenden lässt er klapprige Skelette akrobatisch tanzen. Auf meterlange Stoffbahnen skizziert Eisenberger comicartige, leicht lesbare Motive. Darunter erkennt man das Batman-Logo als Zeichen für die Sehnsucht nach einem Retter genauso wie fette Autos oder angeklebte Hände.

„Ich finde es notwendig und richtig, dass aktuelle, gesellschaftspolitische Themen in das Gebet mit einfließen“, sagt Martin Lintner, der Prior des Konvents.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Christian Eisenberger, Servitenkirche, Innsbruck
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Ein moderner Totentanz hängt vor dem Alter der Innsbrucker Servitenkirche
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Klapprige Skelette führen einen akrobatischen Tanz vor erstarrten Lebenden auf.
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Eisenberger malt auch einen SUV auf das moderne Fastentuch.
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Die Zeichen der Zeit ansprechen

Die Innsbrucker Servitenkirche wird erstmals in der Fastenzeit für zeitgenössische Kunst geöffnet. Prior Martin Lintner gibt offen zu, dass nicht alle Mitbrüder von Beginn an von der Aktion begeistert gewesen seien. Man habe aber gemeinsam entschieden, die von Bischof Hermann Glettler kuratierte Altargestaltung mitzutragen.

Ein Kirchenbesucher habe sich bereits bitter beklagt, dass sogar der Tabernakel von dem modernen Fastentuch verdeckt werde. „Ich denke, dass die Fastentücher auch die Funktion haben, uns vor Augen zu führen, dass wir in einer Welt leben, in der die Herrlichkeit Gottes durch sehr viel Leid verdeckt ist. Das bringen diese modernen Fastentücher gut zum Ausdruck“, so Professor Martin Lintner, der auch an der Universität in Bozen unterrichtet.

Eisenberger
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Das Logo von Batman könnte als Sehnsucht nach einem Retter gelesen werden.

Kunst als „optische Störung“

Die Tradition, die kostbaren Gemälde und vergoldeten Altäre in der Fastenzeit durch violette Tücher zu verhüllen, reicht bis in das Mittelalter zurück und soll die Augen zum Fasten einladen. Diesen Anspruch erfüllt der überbordende Totentanz von Eisenberger nicht.

Die zeitgenössischen Werke seien eher eine optische Störung, meint Bischof Hermann Glettler. Sie laden zur Auseinandersetzung ein. Auch die Kunst sei ohnmächtig, so Glettler, sie könne nur aufzeigen und hinzeigen. Er hoffe allerdings, dass die ernsten Zeichen der Zeit gelesen würden. Gut an der Aktion sei auch, so die Kunsthistorikerin Elisabeth Larcher, dass die Interventionen nur temporär zu sehen sind. Zu Ostern werden sie wieder abgebaut.