Lawinenkegel auf der Südostflanke des Unteren Malfragkopfs in der Samnaungruppe nach dem tödlichen Lawinenabgang
zeitungsfoto.at
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Chronik

Fünf Tote bei Lawinenabgang in Spiss

In der Samnaungruppe an der Tiroler-schweizerischen Grenze sind am Freitag fünf Tourengeher bei einem Lawinenabgang ums Leben gekommen. Eine sechste Person wurde verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Daneben gab es noch eine Reihe weiterer Lawinenabgänge.

Bei den Toten handelt es sich um vier Schweden und um einen einheimischen Bergführer. Die Gruppe war vom Skigebiet Ischgl-Samnaun aus zu einer Skitour zum Unteren Malfragkopf gestartet. Nach dem Erreichen des 2.654 Meter hohen Gipfels fuhr der Skiführer als erster in den Südosthang des Berges ein. Die restliche Gruppe wies er an, im Abstand von 30 Metern zueinander zu folgen. Dabei löste sich laut Polizei oberhalb der Gruppe eine 350 bis 400 Meter breite Schneebrettlawine.

Ein 43-jähriger Schwede aus der Gruppe wurde von den Schneemassen nur teilweise verschüttet. Er konnte via Handy einen Kollegen in der Heimat kontaktieren. Dieser informierte telefonisch einen Freund in Tirol, der bei der Skitour nicht mitgegangen war und der die Rettungskräfte alarmierte. Zunächst war allerdings unklar, wo sich das Unglück genau ereignet hatte. Ein Schweizer Notarzthubschrauber entdeckte schließlich den Lawinenkegel im Gemeidegebiet von Spiss (Bezirk Landeck), aus der Luft war auch ein aus dem Schnee ragender Lawinen-Airbag zu sehen.

Südost-Flanke des Unteren Malfragkopfs in der Samnaungruppe (Gemeindegebiet Spiss), wo fünf Tourengeher bei einem Lawinenabgang getötet wurden
APA/Polizei Tirol
Die tödliche Lawine ging auf der Südostflanke des Unteren Malfragkopfs in der Samnaungruppe ab

Länderübergreifender Rettungseinsatz

Sofort wurden alle Einsatzkräfte dorthin beordert. Sie konnten die Verschütteten innerhalb kurzer Zeit mit Hilfe von Lawinensuchgeräten orten. Vier Gruppenmitglieder aus Schweden und der Skiführer konnten aber nur mehr tot geborgen werden. Der überlebende Schwede wurde zur ärztlichen Behandlung in die Schweiz geflogen.

Bei der Suchaktion waren zwei Schweizer Hubschrauber, ein österreichischer Notarzthubschrauber sowie ein Polizeihubschrauber im Einsatz. Sie brachten die Suchmannschaften zum Lawinenkegel. Der Einsatz im hochalpinen Gelände gestaltete sich laut Polizei nicht ganz einfach, auch weil es kaum Funk- oder Handyempfang gab.

Fast 50 Lawinenmeldungen eingelangt

In Tirol war es am Freitag zu ungewöhnlich vielen Lawinenabgängen gekommen. Bei der Leitstelle gingen knapp 50 Lawinenmeldungen ein. Das lasse darauf schließen, dass viele die Gefahr unterschätzt haben, sagt der Leiter der Leitstelle Tirol Bernd Noggler. Offensichtlich hätten sich manche nicht an die Warnungen gehalten oder ihre Tour nicht ganz passend gewählt.

Fünf Tourengeher in Sölden verschüttet

In Sölden wurden fünf Wintersportler im freien Skigelände in der Nähe einer Piste von einer Lawine verschüttet, sie konnten lebend geborgen werden, vier von ihnen wurden verletzt. Durch die Lawine wurde auch eine geöffnete Piste auf einer Breite von etwa 100 Metern mehrere Meter hoch verschüttet. Der Lawinenkegel wurde daraufhin von Einsatzkräften mehrfach abgesucht. Nachdem es keinen Hinweis auf weitere verschüttete Personen gab, wurde die Suche gegen 16.00 Uhr eingestellt.

Suchaktion nach Lawinenabgang
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Suche nach dem Lawinenabgang in Sölden

Auch in anderen Gemeinden gingen kurz nach Mittag bei der Leitstelle Tirol Meldungen von Lawinenabgängen ein, so in Spiss, in Aurach und in Jochberg. In Lermoos wurden gegen Mittag zwei Deutsche im Alter von 31 und 33 Jahren von einer Lawine mitgerissen. Sie hatten in einer steilen Rinne ein Schneebrett ausgelöst. Der 33-Jährige konnte sich selbst aus der Lawine befreien und dem 31-Jährigen helfen, welcher an einem Baum hängen geblieben war und schwere Verletzungen erlitt. Der 31-Jährige wurde in die Klinik Murnau geflogen, der 33-Jährige erlitt leichte Verletzungen.

Zwei Personen im Zillertal teilweise verschüttet

Kurz vor Freitagmittag kam es im freien Skiraum des Skigebietes Kaltenbach zu einer von Variantenfahrern selbst ausgelösten Lawine. Zwei Personen wurden teilweise verschüttet und konnten sich mit Hilfe einer weiteren Person selbst aus der Lawine bergen. Der Lawinenkegel wurde mit einem Einsatzhubschrauber abgeflogen, weitere Verschüttete können laut Information der Bergbahnen Hochzillertal ausgeschlossen werden.

Lawinenwarndienst-Chef zeigt sich enttäuscht

Vom Chef des Tiroler Lawinenwarndienstes, Rudi Mair, hieß es angesichts der zahlreichen Lawinenunfälle am Donnerstag und Freitag: „Es schmerzt mich persönlich und macht mich traurig, wenn man tagelang warnt, warnt und wieder warnt: Und dann passieren innerhalb von zwei Tagen über 50 registrierte Lawinenunfälle.“

Viel Neuschnee in den letzten Tagen sowie die umfangreichen Triebschneeansammlungen sollten besonders vorsichtig beurteilt werden, so Mair. Lawinen könnten verbreitet schon von einzelnen Wintersportlerinnen und Wintersportlern ausgelöst werden und groß werden. Skitouren und Variantenabfahrten erforderten aktuell besonders viel Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr, so Mair. In den nächsten Tagen sei weiterhin mit erheblicher Lawinengefahr, also Warnstufe 3, zu rechnen. Auch wenn das Wetter in den nächsten Tagen sonnig und traumhaft werde, ersucht Mair um Zurückhaltung.

Fast in ganz Tirol „erhebliche“ Gefahr

Mit Ausnahme des südlichen Osttirol herrschte am Freitag in ganz Tirol „erhebliche Lawinengefahr“, das ist die Stufe drei auf der fünfteiligen Skala. Erfahrungsgemäß ereignen sich bei dieser Gefahrenstufe die meisten Lawinenunfälle.