Arbeitszeit: Auch in Südtirol wird diskutiert

Die Debatte um die geplante 60 Stunden-Woche der österreichischen Regierung wird auch von Südtirols Wirtschaftstreibenden mit großem Interesse verfolgt. Der Unternehmerverband wünscht sich schon seit Langem mehr Flexibilität von den Arbeitnehmern.

38,2 Stunden jede Woche: So viel arbeiten die Südtiroler laut einer Umfrage des Arbeitförderungsinstitutes im Durchschnitt. Der Studie nach, soll das mehr sein als in Österreich oder Deutschland. Trotzdem fordert der Präsident des Südtiroler Unternehmerverbandes ein Umdenken bei den bisher festgelegten Arbeitszeiten. „Wenn wir 12-Stunden Tage einführen könnten, wären wir flexibler, es würde allen mehr Freiheit bringen und Schichten könnten bedarfsorientierter eingeteilt werden“, so Federico Giudiceandrea.

Giudiceandrea, Südtirols Unternehmerverband

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Federico Giudiceandrea würde die 60-Stunden-Woche begrüßen

Um im Export konkurrenzfähig zu sein, fordert und bietet Giudiceandrea bereits seinen Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten an. Wer in seinem Unternehmen Nachtschichten macht, arbeitet 32 Stunden in der Woche und nicht 40, bei vollem Lohn. „Wir haben Maschinen in Neuseeland, dort ist dann Tag, wenn bei uns Nacht ist. Wir brauchen also Angestellte, die sich anpassen können“, so der Unternehmer aus Brixen.

Acht-Stunden-Tage nicht mehr zeitgemäß

In Italien gilt zwischen zwei Arbeitstagen eine Mindestruhezeit von elf Stunden. Kollektivverträge regeln darüber hinaus die Höchstarbeitszeiten, bis zu 48 Stunden pro Woche. Der klassische Acht-Stunden-Arbeitstag von Montag bis Freitag sei aber nicht mehr die Regel, sagt auch der Direktor des Arbeitförderungsinstitutes AFI in Bozen. Beim Stichwort „Flexibilität“ ist Stefan Perini aber vorsichtig. „Flexibel sein, bedeutet für Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils das Gegenteil. Für den Chef heißt es meistens, dass der Angestellte dann arbeiten soll, wenn er ihn braucht“, meint Perini.

Hand beim Arbeiten

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Stefan Perini vom AFI ist skeptisch bei den Plänen der österreichischen Regierung

Arbeitnehmer würden sich hingegen bei „flexiblen Arbeitszeiten“ erwarten, dass sie ihre Zeiten frei einteilen dürfen. „Die Südtiroler sind schon jetzt fleißige Arbeiter, sie sind oft auch zehn Stunden täglich bei der Arbeit, genauso wie am Wochenende. Die neue Regelung in Östereich wäre eine Verschlechterung der Situation in Südtirol“, ist Perini überzeugt. Mehr dazu in Südtiroler arbeiten viel (19.01.2018)

Schichtarbeiter

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Vor allem Schichtarbeiter könnte die 60 Stunden-Woche treffen

Gewerkschaften in Sorge

Südtirols Gewerkschaften sind mit den derzeitigen Arbeitszeitenmodellen in Italien nicht unzufrieden. Die Diskussion in Österreich sei allerdings besornigserregend. „Wie wir sehen, sind die Unternehmer ja schon auf den Geschmack gekommen, ebenfalls die Zeiten bei Bedarf verlängern zu wollen. Das ist unsere Sorge“, sagt Dieter Mayr von der Gewerkschaft SGB-Cisl. Die Diskussion wer wie lange in Zukunft arbeiten soll, dürfte also bald auch südlich des Brenners für jede Menge Zündstoff sorgen.