Extrem seltene Innsbrucker Küchenschelle

Die Innsbrucker Küchenschelle kommt mit ihren typischen blauen Glockenblüten weltweit nur an drei Standorten rund um Innsbruck vor. Die Art hat in Tirol eine lange Geschichte, ist jetzt aber vom Aussterben bedroht. Es gibt nur mehr 50 Exemplare.

Sie ist heikel, aber bodenständig, trägt eine blauviolette Krone, weißes Haar und ist seit Generationen eine echte Tirolerin: die Innsbrucker Küchenschelle (lat. Pulsatilla oenipontana). Früher wurde sie zur Gruppe der Anemonen gezählt, die sich durch glockenförmige Blüten auszeichnen. Daher hat man sie auch gerne als Campanaria bezeichnet, zu Deutsch: „Schellen“. Die Innsbrucker Variante ist jedoch die einzige, die auch die Tiroler Landeshauptstadt im Namen trägt.

Eine Pflanze, viele Namen

Im Volksmund besitzt die Pflanze viele Bezeichnungen: Osterglocke, aufgrund der Blütezeit zwischen März und April, Kuhschelle wegen der Verbindung zum Standort der Pflanze (Weiden) oder Hacketkraut, was sich wiederum auf das gefährliche Treiben der Hexen (Hacken) bei Nacht bezieht. Immerhin ist die blaue Schönheit auch recht giftig und wird von Weidetieren höchstens beschnuppert, gefressen aber nie.

Küchenschelle

Romed Unterasinger

Eine waschechte Innsbruckerin

Ursprünglich beschrieb der „Vater“ der Botanik, Carl v. Linné, drei Arten von Küchenschellen, die in weiten Teilen Europas verbreitet waren. Wie sich herausstellte, ließen sich jedoch noch mehr Arten unterscheiden. „Tatsächlich sind in Tirol am ehesten die schwefelgelben, alpinen Formen bekannt“, weiß Professor Konrad Pagitz von der Universität Innsbruck.

Die Innsbrucker Küchenschelle gehöre allerdings zu einer Talform und dürfte als Randerscheinung aus zwei anderen Arten entstanden sein: aus der im Nordwesten verbreiteten Gewöhnlichen Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) und der im östlicheren Raum verbreiteten Großen Küchenschelle (Pulsatilla grandis). In Innsbrucks Tallagen kommt ausschließlich die Innsbrucker Küchenschelle vor – möglicherweise aufgrund ihrer speziellen Standortansprüche, wie Pagitz vermutet.

Küchenschelle

Romed Unterasinger

Wählerisch im Wohnort

Die schöne Tirolerin nimmt es nämlich ganz genau, wenn es um den Standort geht: Süd- oder Südosthänge unter 800 m sollten es sein, möglichst ganzjährig schneefrei, nährstoffarme Wiesen (Magerwiesen) mit kurzem Grasbewuchs (Halbtrockenrasen) – allzu hoch reicht die Schelle nämlich nicht. Allerdings ist ihre Größe nicht der einzige Grund, weshalb sie schwer zu finden ist. Auch zahlenmäßig ist die Pflanze an ihren drei Standorten um Innsbruck – Arzl, Thaur und Rum – eine Rarität.

Küchenschelle

Romed Unterasinger

Die Pflanze wächst nur noch an wenigen Plätzen im Norden Innsbrucks

Zum Welken gebrochen, von Mauern verbaut

Tatsächlich kam die Innsbrucker Küchenschelle im 18. und 19. Jahrhundert noch in großen Mengen zwischen Kranebitten und Absam vor. Darauf deuten diverse Funde aus dieser Zeit hin. Auch der Höttinger „Kräuter-Klauber“ Georg Philipp Sauerwein hat Mitte des 18. Jahrhunderts schon Exemplare aus dieser Gegend in sein Herbarium – eine Art Sammlung mit gepressten Pflanzen – eingelegt.

Küchenschelle

Romed Unterasinger

Zu kaiserlichen Zeiten war es außerdem Brauch, Ostereier mithilfe der Innsbrucker Küchenschelle grün zu färben. Bis heute ist daher nicht ganz geklärt, ob der Name Küchenschelle möglicherweise nicht auch von „Kükenschale“ herrühren könnte. Wer keine Eier färben wollte, füllte seine Blumenvasen mit den blauen Glocken. Wanderer pflückten alten Quellen zufolge ganze Eimer voll, während gleichzeitig die Landschaft zunehmend verbaut wurde. Diese Entwicklung sah damals auch der Botaniker Carl Wilhelm von Dalla Torre mit großer Sorge und mahnte schon 1906 in den Innsbrucker Nachrichten:

„Schonet sie solange es noch Zeit ist, umso mehr als ihr durch die bauliche Tätigkeit und Schottergewinnung ein […] Feind erwachsen ist. Erfreut euch an dem Anblicke und lasset sie blühen, wo sie vor Jahrtausenden sich angesiedelt hat!“

Gebracht hat die Warnung offenbar wenig. 1925 vermerkt der Tiroler Anzeiger noch immer, es gäbe „ganze Scharen, um diese Blume massenhaft zu pflücken“ und berichtet von Erwachsenen bzw. Kindern, durch die „ganze Sträuße abgerissen werden“.

Innsbrucker Küchenschelle unter Schutz

Am 21. März 1935 wurde das Pflücken der Pflanze erstmals gesetzlich für eine gewisse Zeit verboten und „strenge überwacht“. Das eigentliche Problem, das Dalla Torre ebenfalls bereits 1906 benannt hatte, wurde dadurch aber eher kaschiert denn gelöst: Die starke Verbauung des Lebensraumes ging nämlich weiter und blieb nicht das einzige Problem. „Auch die moderne Landwirtschaft ist eine Gefahrenquelle für die Innsbrucker Küchenschelle,“ erklärt Romed Unterasinger vom Verein Tiroler Schutzgebiet, „entweder werden die Flächen stark gedüngt oder sie werden aufgelassen, wodurch rasch ein Wald aus der Wiese entsteht.“ In beiden Fällen könne die Magerwiesen und Kurzrasen liebende Pflanze nicht mehr wachsen.

Jungpflanzen lassen sich kaum anpflanzen

Zwar wurde in den 80er Jahren z.B. in Arzl ein rund 3.500 m2 großes Schutzgebiet vereinbart, der Bestand schrumpfte in den 90ern aber trotzdem bis zu etwa 90 Prozent. Aus diesem Grund versuchte man 1999 Jungpflanzen gezielt wieder anzusiedeln – mit mäßigem Erfolg, wie Unterasinger berichtet: „Die Samen keimen gut, das Problem ist aber die Etablierung der Jungpflanzen in ihrem Lebensraum.“ Das sei ähnlich schwierig wie gezüchtete Wildtiere in ihrem angestammten Lebensraum erfolgreich auszuwildern. Ein Großteil der gesetzten Pflanzen überlebte auf Dauer nicht. Heute sind insgesamt noch etwa 50 Exemplare der Innsbrucker Küchenschelle übrig.

Küchenschelle

Romed Unterasinger

Die Landwirtschaft komplett umzukrempeln sei heute kaum mehr möglich, erklärt Unterasinger, darum habe man sich eher darauf konzentriert, die bestehenden Standorte der Innsbrucker Küchenschelle so gut wie möglich zu erhalten und zu pflegen. Tatsächlich scheint das Schutz-Programm heuer erstmals Früchte zu tragen. Kürzlich habe man in Rum eine Erholung des Bestandes bemerkt, berichtet Unterasinger, es bestehe also noch Hoffnung, dass es einst wieder blau blühende Hügel um Innsbruck geben könnte.

Julia Ecker, tirol.ORF.at

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