Van Staa über „neuen Stil“ in der Politik

Der 75-jährige Herwig van Staa hat nach mehr als 20 Jahren die politische Bühne verlassen. Im ORF-Interview zieht er Bilanz, kommentiert die Veränderung der Parteienlandschaft und die Innsbrucker Gemeinderatswahl.

Herr Altpräsident, Sie waren von 2002 bis 2008 ÖVP-Landeshauptmann von Tirol. 2008 erfolgte der Wechsel zu Günther Platter, und Sie wurden Landtagspräsident. Wie schwierig war im Rückblick der damalige Rollenwechsel für Sie persönlich?

Ich war gerne ein Akteur und habe gerne entschieden. Und dann musste ich im Landtag doch ein Klima herstellen, in dem Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg möglich war. Nur so konnte man für bestimmte Entscheidungen Mehrheiten finden, nachdem die ÖVP keine absolute Mehrheit mehr hatte.

Sie haben als Landeshauptmann eine ÖVP-SPÖ-Landesregierung geführt. Günther Platter entschied sich später für eine neue Koalition mit den Grünen. Wie bewerten Sie deren sachpolitische Arbeit in den vergangenen fünf Jahren?

Ich muss bekennen, ich war viel skeptischer als viele andere. Ich kann aber sagen, dass insgesamt aus meiner Sicht – obwohl ich keine Zensuren zu verteilen habe – eine gute Regierungsarbeit geleistet wurde und das Programm abgearbeitet wurde.

Landtagspräsident Herwig van Staa übergibt Schlüssel an LT-Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann

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Schlüsselübergabe an die neue Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossman

SPÖ und FPÖ haben bei der Landtagswahl zugelegt, die Liste Fritz will weiterhin kantige Oppositionspolitik machen, und neu im Landtag sind die NEOS. Muss sich die alte neue schwarz-grüne Landesregierung aus Ihrer Sicht auf eine künftig insgesamt stärkere Opposition einstellen?

Das kann man jetzt noch nicht sagen. Ich habe gehört, dass SPÖ und FPÖ bereit sind, konstruktiv mitzuarbeiten, insbesondere was Lösungen zur Verringerung des Transitverkehrs und für leistbares Wohnen angeht. Und damit würde man in der Arbeit des Landtages einen großen Schritt weiterkommen.

Herwig van Staa an seinem letzten Arbeitstag als Landtagspräsident

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Herwig van Staa im Gespräch

Erstmals in den Tiroler Landtag eingezogen sind gestern die beiden Mandatare der NEOS. Was erwarten Sie sich von dieser Gruppierung?

Es ist ein neuer Stil zum Ausdruck gekommen, dass die NEOS Opposition machen wollen, aber nicht Opposition um der Opposition willen. Auch im Abstimmungsergebnis – obwohl man geheime Wahlen ja nicht kommentieren sollte – nehme ich an, dass auch die NEOS für die Regierung gestimmt haben.

Niedrig ist und bleibt die Wahlbeteiligung in Tirol. Nur 60 Prozent waren es zuletzt bei der Landtagswahl. Warum ist das so, und bereitet Ihnen die hohe Zahl an Nichtwählern demokratiepolitisch Sorge?

Das ist unerfreulich. Einerseits kann man argumentieren, die Bevölkerung sagt, „die da oben“ machen sowieso das, was sie wollen. Andere argumentieren, die Leute sind derart zufrieden, dass sie sagen, wenn es so bleibt wie es ist, gehe ich nicht zur Wahl. Ich wünsche mir, dass mehr Tirolerinnen und Tiroler ihr Wahlrecht aktiv nützen.

Sie wurden seinerzeit mit der ÖVP-Abspaltung Für Innsbruck Bürgermeister von Innsbruck. Gehen Sie davon aus, dass die amtierende Für-Innsbruck-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer ihr Amt bei der Gemeinderatswahl am 22. April verteidigen wird können?

Ich gebe ihr sehr gute Chancen, dass sie dazu in der Lage ist. Ich gebe auch dem grünen Bürgermeisterkandidaten Georg Willi gute Chancen. Und ich würde auch für möglich halten, dass es zu einem außerordentlichen Fall kommen könnte, ähnlich wie der Bundespräsidentenwahl. Man weiß mit Stand heute nicht, ob es auch möglich wäre, dass Georg Willi und FPÖ-Bürgermeisterkandidat Rudi Federspiel in die Stichwahl kommen. Ich habe Vorstellungen, wer in diesem Fall die Wahl gewinnen würde, diese behalte ich aber für mich.

Sie selbst kandidieren bei der Gemeinderatswahl für den Seniorenbund – einmal Politiker, immer Politiker, auch noch mit 75?

Ich kandidiere an fünfter Stelle der Liste. Der Seniorenbund hat in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit im Gemeinderat geleistet, ist aber mit nur einem Mandat vertreten. Ich würde mich freuen, wenn der Seniorenbund stärker wird. Ich kann mir vorstellen, in diesem Fall Ersatzgemeinderat zu werden. Und als solcher würde ich mich vor allem dann zu Wort melden, wenn es um Finanzfragen der Stadt Innsbruck geht.

Das Gespräch führte Robert Unterweger, tirol.ORF.at